Goldschatz
so schlimm gewesen, wenn die beiden in die Jahre gekommenen Hippies nicht die Angewohnheit gehabt hätten, nackt zu baden. Allein bei dem Gedanken, den ganzen Tag die Avancen zweier nackter Blutsauger abwehren zu müssen, drehte sich Fiona der Magen um.
»Sicher, Rose. Es wäre uns eine Freude, euch hier zu haben«, entgegnete Ace so fröhlich, dass Fiona ihm einen Blick zuwarf, um zu sehen, ob er vielleicht den Verstand verloren hatte. Sie wusste sehr wohl, dass Ace die Frau nicht ausstehen konnte. »Das Problem ist nur, dass die kleine Lady hier und ich heute nicht hier sein werden.«
»Ihr werdet nicht hier sein?«, fragte Rose scharf. »Ich dachte, ihr beide könntet nicht... Ich meine, was gibt es denn da draußen, was ihr hier drin nicht bekommt?«
»Mütter«, sagte Fiona schnell. »Ich meine, meine Mutter.«
Ace packte von hinten Fionas Oberarm und machte
Anstalten, sie aus der Küche hinauszuführen. »Die Mutter meiner Frau ist krank.«
»Ich dachte, du wärst eine Waise.«
»O nein«, entgegnete Fiona sofort. Sie waren jetzt fast an der Vordertür. »Ich sagte, dass ich sicher bald zur Waise erklärt werde, wenn ich meine Mutter nicht bald besuche. Du weißt doch, wie so was ist, oder?« Rose erwiderte, dass sie vor langer Zeit drei Kinder geboren habe, von denen sie aber nicht wisse, wo sie sich heute herumtrieben. Ace nahm die Wagenschlüssel von dem kleinen Dielentisch, öffnete die Tür, trat über die Schwelle und zog Fiona mit sich. Draußen rannten sie los wie Kinder, die die Schule schwänzen. Als sie im Wagen saßen, lachten sie los. Und als sie das Eingangstor zur Anlage erreichten, lachten sie noch heftiger.
»Wir werden noch erwischt«, prustete Fiona. »Wir können nicht weg. Wir können nicht... Ach, zum Teufel damit! Diese Anlage ist zwar ein goldener Käfig, aber doch ein Käfig. -Erinnerst du dich noch an das Jahr 1978? Mein Vater sagte, es wäre sein Lieblingsjahr gewesen. Vielleicht hast du meinen Vater gekannt? Smokey?<«, äffte Fiona sich selbst nach. »Vielleicht sollten wir einen Squaredance organisieren und verkünden, dass wir auf der Flucht vor der Polizei sind und ...»
»Hootenanny«, meinte Ace. »Keinen Squaredance, sondern einen Hootenanny.«
»Ach ja, richtig. Und reichen wir Joints oder Schokoladenkekse?«
»Ich glaube, der Typ in dem rosafarbenen Haus stellt in seinem Keller LSD her.«
»Und die Polizei jagt uns!«, sagte sie sarkastisch und blickte dann durch das Fenster auf den offenen Highway, auf dem sie sich befanden. »Übrigens, wo wir gerade beim Thema Polizei, Straßensperren und Verbrechen sind ... Wohin fahren wir?«
»Wohin möchtest du denn?«, entgegnete er leise.
»Die Wahrheit?«
»Die ganze Wahrheit«, entgegnete er lächelnd.
Fiona wandte sich ab, sodass sie sein Lächeln nicht länger sah. Sie hatten zwar bislang nichts über den Mörder von Roy Hudson herausbekommen, aber eine ganze Menge über einander. Aus reiner Notwendigkeit hatten sie aufgehört, sich ständig zu kabbeln. Stattdessen hatten sie zusammengearbeitet auf der Suche nach Hinweisen auf das, was passiert war und weiter geschah.
Drei Tage lang hatten sie fast jede Einladung angenommen, die man ihnen gegenüber ausgesprochen hatte, und hatten sich mit den Leuten zusammengesetzt, um über die »alten Zeiten« zu plaudern. Leider schien es, als hätten sie durch diese Aufforderung Dämme eingestürzt, denn ohne es zu wollen, hatten sie in den vergangenen drei Tagen ein Revival der Sechzigerjahre in Gang gesetzt -dabei wusste jeder, dass das, was angeblich in den Sechzigern passiert war, tatsächlich erst in den Siebzigern stattgefunden hatte.
Und so waren Fiona und Ace alias Gerri und Red Hazlett mit Hippie-Nostalgie bombardiert worden. Sie waren mit Privatvideos, Musik (wenn sie noch einmal »Can’t get no satisfaction« hörte, würde sie ihre Stirnbänder anzünden), Essen (die sonderbarerweise größtenteils aus Kleie-Muffins bestanden) und anderen Sentimentalitäten bombardiert worden. Mit verträumtem Blick wurde ihnen manche Geschichte erzählt über eine Zeit, die den Menschen offenbar als ideal im Gedächtnis geblieben war.
Aber soweit Ace und Fiona feststellten, hatte sich keiner ihrer Nachbarn 1978 in Florida aufgehalten. Allerdings hatten auch einige Gedächtnislücken. »Ich war das ganze Jahr stoned und kann mich nicht mehr an viel erinnern«, lautete eine häufige Antwort auf ihre Nachfragen.
Und nachts, endlich allein in ihrem heimeligen kleinen Haus,
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