Goldstück: Roman (German Edition)
eine Stimme hochschrecken. Ich blicke auf – und entdecke ein mir sehr vertrautes Gesicht.
»Daniel!«, rufe ich entsetzt aus.
»Maike!«, ruft er zurück, während er sich lässig gegen den Tresen lehnt. Dann grinst er mich an.
Ich bin völlig schockiert; was macht denn Daniel hier? Sofort geht mein Herzschlag in zweieinhalb Sekunden auf hundert, er hat immer noch dieselbe unglaubliche Wirkung auf mich wie früher.
»Ich …« In meinem Kopf geht alles drunter und drüber, und es fällt mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. »Wie kommst du hierher, warum bist du … woher weißt du …?« Aber ich komme nicht weiter.
»Nein, jetzt rede ich«, sagt Daniel in sehr bestimmtem Tonfall und wirft mir einen strengen Blick zu. Vor Schreck halte ich tatsächlich den Mund und schaffe es nicht einmal, von meinem Stuhl aufzustehen, so sehr zittern mir die Knie. Daniel beugt sich über den Tresen hinüber zu mir herunter und sagt: »Ich habe ein Versprechen gebrochen.«
»Ein Versprechen gebrochen?« Gleich verstehe ich überhaupt nichts mehr.
Daniel nickt. »Das heißt«, korrigiert er sich, »Markus hat es gebrochen.«
»Markus? Wovon redest du da? Was für ein Versprechen?«
»Erinnerst du dich, um was du uns mal gebeten hast?«
»Öh.« Ich krame in meinem immer noch paralysierten Hirn nach einer Erinnerung. »Nein«, muss ich schließlich zugeben, »ich weiß beim besten Willen nicht, was du meinst.«
»Du hast uns mal darum gebeten«, erklärt Daniel, »Stefan Becker gegenüber nicht zu erwähnen, dass wir bei dir zu einem Coaching waren.«
Langsam rotieren die kleinen Rädchen in meinem Kopf wieder, und ich beginne zu verstehen, was Daniel meint. »Jetzt habt ihr es ihm erzählt?«, spreche ich meine Vermutung laut aus.
Daniel nickt ein weiteres Mal. »Ja, Markus hat es nicht glauben können, als ich ihm gesagt habe, dass du von jetzt auf gleich mit mir Schluss gemacht hast. Er war der festen Überzeugung, dass da ein Missverständnis vorliegen müsse, und wollte dich sogar anrufen, was ich ihm aber verboten habe. Tja, und dann hat er sich nach einer Weile eben mit Stefan unterhalten, das hatte ich ihm schließlich nicht verboten, und er wollte mir einfach helfen.«
»Was ist denn bei der Unterhaltung mit Stefan rausgekommen?«, frage ich leise. Plötzlich habe ich ein ganz flaues Gefühl im Magen, denn mir ist klar, dass nun offenbar der große Moment der Wahrheit gekommen ist. Mein wochenlanges Versteckspiel, alles völlig umsonst, Daniel hat alles herausgefunden und ist wahrscheinlich vorbeigekommen, um mir noch einmal richtig die Hölle heißzumachen.
»Alles«, teilt er mir dann auch prompt mit und richtet sich wieder auf.
Wie er da so steht und auf mich hinabblickt, fühle ich mich erst recht klein, mickrig und hilflos. »Daniel, ich …«, setze ich an, aber er unterbricht mich.
»Stefan Becker war erstaunlicherweise ganz erfreut, dass Markus ihn darauf angesprochen hat. Denn offensichtlich wusste er schon eine ganze Weile, was los ist, hat aber von dir ebenfalls einen Maulkorb verpasst bekommen.«
»Äh …«
»Jedenfalls hat er Markus dann die ganze Sache erzählt. Davon, dass du Kikis Cousine bist und ihren Job übernommen hast, tatsächlich aber vorher noch nie als Coach gearbeitet hast.«
Betreten blicke ich auf die Tischplatte vor mir, ich kann Daniel nicht mehr ansehen, meine Wangen sind so heiß, dass sie vermutlich schon feuerrot angelaufen sind. »Es tut mir leid«, murmele ich. »Ich wollte das alles nicht, die Sache ist irgendwie aus dem Ruder gelaufen.«
»Ja, das kann man so sagen.«
Mit äußerster Kraftanstrengung schaffe ich es, wieder aufzublicken. Daniel steht immer noch kerzengerade vorm Tresen, mittlerweile hat er die Arme vor der Brust verschränkt.
»Und«, setze ich an. Meine Stimme krächzt, ich räuspere mich und beginne von neuem. »Und jetzt willst du natürlich dein Geld zurück und Markus und die anderen wahrscheinlich auch.« Noch immer ein unbewegter Blick. »Ich mach das«, versichere ich ihm eilig, »sobald ich kann, vielleicht bekomme ich ja einen Kredit und …«
»Nein«, sagt Daniel.
»Nein?«
»Nein«, wiederholt er. »Ich will nicht mein Geld zurückhaben. Du bist es, die ich zurückhaben möchte.«
Eins, zwei, drei, vier, fünf – so viele Sekunden dauert es, bis ich die Bedeutung seiner Worte verstehe.
»Du willst mich zurückhaben?«
»Ja«, erklärt er, kommt um den Tresen herum, setzt sich auf den freien Stuhl neben mir und
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