Goldstück: Roman (German Edition)
jagen mir hunderttausend Gedanken durch den Kopf. Wie gern würde ich Stefan die Telefonnummer von Dorothee geben! Es scheint ihn wirklich ziemlich erwischt zu haben, und auch wenn Kiki noch nicht so lange tot ist – heißt das, dass Stefan jetzt für den Rest seines Lebens allein bleiben muss? Sicher nicht! Aber was kann ich tun, was kann ich nur tun?
Wenn Stefan Dorothee kennenlernt, wird er erfahren, dass sie Daniels Schwester ist. Außerdem sind die beiden gerade nicht so gut auf mich zu sprechen, ich kann von Glück reden, dass Daniel sich offenbar trotz allem immer noch daran hält, Stefan nicht von unseren Coachings zu erzählen. Jedenfalls, wenn er und Markus noch bei Stefan trainieren, das weiß ich natürlich nicht und mag Stefan auch nicht danach fragen. Aber wie dem auch sei: Es ist schlicht und ergreifend unmöglich, Stefan mit Dorothee zu verkuppeln, es geht einfach nicht. Mist, Mist, Mist!
»Na ja«, meint Stefan, als wir kurz vorm Ausgang sind. »Hat wohl nicht sein sollen. Oder, falls es doch noch sein soll, begegnet sie mir ja vielleicht noch einmal. Ach, na, wer weiß, vielleicht habe ich mich da auch einfach nur in etwas hineingesteigert, und sie wäre gar nichts für mich? Erst recht, wenn sie sowieso in festen Händen ist. Es war halt nur so ein komisches Gefühl, als ich sie gesehen habe, so als wäre da eine unglaubliche Chemie zwischen uns, wie Magie hat sich das fast angefühlt.« Er lacht. »Ich klinge schon wie eine richtige Kitschtante, oder?« Er wirft mir einen Blick zu, und es zerreißt mir fast das Herz, in seine lieben, freundlichen Augen zu schauen.
Ich ringe mit mir. Mehr, als ich jemals in meinem Leben mit mir gerungen habe. Was soll ich tun, was soll ich nur tun? Plötzlich ist da dieser Gedanke: Ach, Maike, scheiß doch drauf! Hier geht es immerhin nicht nur um dich, sondern auch noch um zwei andere Menschen. Okay, du hast Mist gebaut, und zwar so richtig. Aber das ist kein Grund dafür, dass du Stefan, der nun wirklich gar nichts dafür kann, eine Chance verbaust.
»Stefan«, meine ich und merke, wie meine Stimme zittert. »Pass auf, ich geb dir ihre Nummer.«
»Hm?«
»Ja, ich hab ihre Telefonnummer. Aber dafür muss ich dir erst einmal etwas erzählen. Diesmal bin ich diejenige, die hofft, dass du das nicht ganz grässlich und pietätlos findest.«
Eine halbe Stunde später habe ich Stefan alles gebeichtet. Wir sitzen auf einer Bank neben dem Friedhofseingang, Stefan hat mich kein einziges Mal unterbrochen, während ich die Ereignisse der vergangenen Wochen heruntergerattert habe. Wie ich durch ein Missverständnis Kikis Job übernommen und mich in Daniel verliebt habe, wie dann durch Sarah Beckstein alles aufgeflogen ist und ich Daniel gegenüber behauptet habe, wieder mit Gunnar zusammen zu sein.
»Uff«, kommentiert Stefan, als ich mit meinem Bericht ans Ende gelangt bin. »Das ist echt eine wilde Geschichte.«
»Hm«, meine ich und werfe ihm einen zerknirschten Blick zu. »Und?«, will ich dann wissen. »Bist du böse?«
Stefan sieht mich entgeistert an. »Warum sollte ich dir denn böse sein?«
»Tja, weil es tatsächlich etwas pietätlos ist, was ich da gemacht habe.«
»Unsinn!« Er lacht auf. »Falls Kiki das von da oben«, er deutet Richtung Himmel, »mitbekommen hat, hat sie sich mit Sicherheit amüsiert wie Bolle! Ich meine, das ist doch eigentlich unglaublich lustig!«
»Geht so«, gebe ich düster von mir, »hab schon mal mehr gelacht.«
»Ach, Maike.« Stefan legt mir einen Arm um die Schulter. »Glaubst du denn nicht, dass du einfach mal mit deinem Daniel reden solltest? So schlimm ist das doch alles nicht!«
»Auf gar keinen Fall!«, entfährt es mir. »Selbst wenn er mir das verzeihen sollte, was ich allerdings bezweifle, nachdem ihm Ehrlichkeit so ziemlich das Wichtigste ist – dann gibt es immer noch Sarah Beckstein, die mich ans Messer liefern wird.«
»Hm«, überlegt Stefan. »Aber das Steuerjahr ist doch noch gar nicht rum. Ruf beim Finanzamt an, lass dir eine Steuernummer geben und schicke deinen Kunden korrigierte Rechnungen. Dann gibst du nächstes Jahr eine korrekte Steuererklä
rung ab. Falls die jemals nachfragen, weil diese Sarah Wind um die Sache macht, dann sag, es war ein Versehen.«
Ich schaue ihn zweifelnd an. »Du meinst, das geht? Und die sind dann nicht erst recht hinter mir her?«
»Also, soweit ich weiß, kann man sich bei der Steuer sogar selbst anzeigen und wird dann nicht bestraft. Das müsstest du als
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