Goldstück: Roman (German Edition)
zusammen hinfliegen wollen, ebenfalls nach meinem Abschluss.
»Wenn du das alles hinter dir hast, machen wir eine Liebesreise nach Venedig«, hatte Gunnar Anfang des Jahres zu mir gesagt. Er hatte mir Flugtickets geschenkt und sogar schon ein Hotelzimmer organisiert, das sollte meine Belohnung fürs Staatsexamen sein, ganze fünf Tage in der romantischsten Stadt der Welt.
Ich hatte mich tierisch darauf gefreut, schließlich wollte ich schon immer mal in die Stadt am Canal Grande. »Gehst du dann auch auf dem Markusplatz vor mir auf die Knie und hältst um meine Hand an?«, hatte ich einen Witz gemacht. Na gut,
es war ein Scherz, in dem vielleicht ein kleines bisschen Ernst steckte, welches Mädchen würde nicht von so einem Moment träumen?
Tja, und auf Gunnars »Schatz, du weißt doch, dass ich immer solche Rückenprobleme habe« haben wir uns dann prompt wieder gestritten. Rückblickend kann ich gar nicht mehr sagen, woran es in diesem Moment gelegen hat, aber irgendwie war ich sauer, wie Gunnar reagiert hatte, und fühlte mich … zurückgewiesen, das trifft es wohl am ehesten. Ja, ein bisschen empfindlich vielleicht, jedenfalls endete es damit, dass ich ihm vorwarf, dass er mich ja sowieso wahrscheinlich nie heiraten würde.
Woraufhin er meinte: »Wenn du dich so aufführst wie jetzt und es schaffst, mir sogar aus meiner lieb gemeinten Venedig-Überraschung einen Strick zu drehen – nein, dann sicher nicht.«
Was soll ich sagen? Sieht so aus, als hätte Gunnar recht behalten, von Heiraten kann momentan nun wirklich keine Rede sein. Es wird also nichts mit Venedig, die Flugtickets hatte ich ihm bei unserem letzten großen Streit vor der Trennung mit einem »Da kannst du von mir aus allein hinfliegen!« vor die Füße gedonnert. Und es wird auch nichts mit einer gemeinsamen Wohnung, genauso wenig wie mit dem Abschluss. Das Einzige, was mir noch bleibt, ist mein mistiger Aushilfsjob im Sonnenstudio. Hätte ich damals doch bloß meine Klappe gehalten!!! Ich seufze tief.
»Woran denkst du gerade?«, will Kiki wissen.
»Woran schon? Daran, dass in meinem Leben einfach alles schiefläuft. Und an Gunnar. Er fehlt mir so!«
»Vermisst du tatsächlich Gunnar, oder ist es etwas anderes?«
Ich blicke sie verständnislos an. »Wie meinst du denn das jetzt schon wieder?«
»Na ja«, sie zuckt mit den Schultern, »ich frage mich, ob es dir wirklich um Gunnar geht oder um die Tatsache, dass du jetzt allein bist.«
»Natürlich geht es mir um ihn!«, stelle ich entrüstet fest. »Ich liebe ihn doch und würde alles tun, um ihn zurückzubekommen.«
»Tatsächlich?« Kiki blickt skeptisch drein. »Ehrlich gesagt hast du dich im letzten halben Jahr nur noch über ihn beschwert.«
»Hab ich nicht.«
»Hast du doch.« Sie beginnt mich nachzuäffen. »Er ist nicht zärtlich genug. Er interessiert sich überhaupt nicht für meine Probleme und ist mir gar keine Unterstützung. Er will nie reden und am liebsten immer nur Fernsehen gucken. Er …«
»Vorhin hast du doch noch selbst gesagt, er sei ein Arschloch«, unterbreche ich sie. »Und jetzt bin ich es auf einmal, die immer nur rumgenörgelt hat?«
»Nein, ich will dir bloß aufzeigen, dass Gunnar nicht ganz der Traumprinz für dich war, zu dem du ihn gerade verklären willst. Dafür hast du mir gegenüber jedenfalls viel zu oft über ihn gelästert.«
»Das waren aber doch immer nur Kleinigkeiten!«, verteidige ich mich.
»Das Ganze ist die Summe seiner Teile.«
»Toller Spruch! Erzählst du das auch deinen Kunden auf dem Selbstfindungstrip?« Ich starre sie böse an.
»Es ist nicht verkehrt, zu sich selbst zu finden«, erklärt Kiki mir mit erstaunlich ruhiger Stimme, ich an ihrer Stelle wäre vermutlich ausgeflippt. »Das könnte dir meiner Meinung nach auch nicht schaden.«
Okay, jetzt flippe ICH wirklich aus. »Super, Cousinchen«, blöke ich sie an. »Ich stehe hier vor den Trümmern meines Lebens, und du erklärst mir, ich soll doch einfach mal ein bisschen
Selbstfindung betreiben. Was soll ich dabei bitte schön finden? Dass ich eine blöde Kuh bin, die zu dämlich für ein Examen ist und die ihren Typen vergrault hat? Wirklich, sehr tröstlich von dir, vielen Dank!«
»Okay, du willst mich offensichtlich falsch verstehen. Bitte, nur zu!«
»Das hat nichts mit Falsch-Verstehen zu tun!«, gifte ich sie an. »Was ich im Moment brauche, ist ein bisschen Trost und niemanden, der mir auch noch Vorhaltungen macht.« Erregt greife ich nach der Weinflasche
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