Goldstück: Roman (German Edition)
und will mir nachschenken, aber Kiki schnappt sie mir mit einer schnellen Bewegung aus der Hand und knallt sie donnernd auf den Tisch.
»Jetzt reicht es mir!« Ihre Stimme klingt mit einem Mal ziemlich sauer. »Ich will dir keine Vorhaltungen machen und finde es mehr als ungerecht, wenn du mir das unterstellst. Und ich bin es auch leid, dass du mir permanent das Gefühl gibst, dass es mir im Vergleich zu meinem armen, armen Cousinchen doch so viel bessergeht. Dieser unausgesprochene Vorwurf von dir geht mir echt auf die Nerven. Als wäre ich schuld daran, dass du nichts auf die Reihe kriegst, als müsste ich mich dafür schämen, dass ich erfolgreich und glücklich bin!«
Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt, noch nie im Leben hat Kiki so mit mir geredet.
»Alles, was ich sagen will«, fährt sie fort, »ist, dass es vielleicht mal an der Zeit wäre, deine weinerliche Opferrolle zu verlassen und nicht immer Gott und der Welt die Schuld für dein Elend in die Schuhe zu schieben. Das ist zwar bequem, hat aber leider einen entscheidenden Haken: Wenn du nicht bereit bist, für dich selbst Verantwortung zu übernehmen, wird sich auch kein anderer finden, der dir das abnimmt. Mich eingeschlossen.«
»Das habe ich auch nie von dir erwartet.« Ich springe auf und starre sie böse an.
»Doch«, widerspricht sie mir. »Unterschwellig tust du das die ganze Zeit. Und weißt du, was? Ich denke, das ist auch der Grund, warum Gunnar dich verlassen hat. Weil er dein Gejammer nämlich auch nicht mehr ertragen konnte, weil jeder normale Mensch irgendwann überfordert ist, wenn man ihm seinen gesamten Scheiß auf die Schultern packt und in jeder Suppe erst mal nach dem Haar sucht! Da kann ich Gunnar wirklich mehr als verstehen, ich an seiner Stelle hätte schon längst die Biege gemacht.« Im selben Augenblick, in dem die Worte Kikis Mund verlassen haben, tritt ein entsetzter Ausdruck auf ihr Gesicht. »Maike, es tut mir leid!«, schiebt sie eilig hinterher. »Das wollte ich wirklich nicht sagen, es ist mir einfach so herausgerutscht.«
Mir ist, als hätte mir jemand mit Anlauf in die Magengrube getreten. Kiki steht auf und versucht, mich in den Arm zu nehmen, aber ich schiebe sie weg.
»Wirklich, das habe ich nicht so gemeint, ich wollte dich bestimmt nicht verletzen.«
»Doch«, antworte ich schließlich und bin selbst erstaunt dar-über, wie eisig meine Stimme klingt. »Du hast es genau so gemeint.« Mit diesen Worten verlasse ich das Wohnzimmer und donnere die Tür hinter mir ins Schloss. Ich höre, wie Kiki ein weiteres Mal meinen Namen ruft, aber ich habe nicht vor, noch einmal zu ihr zurückzugehen.
Erst als ich in meinem Zimmer bin, fällt diese seltsame Starre, die mich ergriffen hat, von mir ab. Ich werfe mich auf mein Bett – und muss plötzlich unkontrolliert losheulen.
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2. Kapitel
Z wei Stunden später kann ich immer noch nicht einschlafen und wälze mich stattdessen unruhig im Bett hin und her. Kiki hat, kurz nachdem ich in meinem Zimmer verschwunden bin, noch einmal zaghaft an meine Tür geklopft, aber ich hab ihr nur ein »Hau ab!« zugebrüllt.
Mittlerweile tut es mir leid, vielleicht hätte ich noch einmal mit ihr reden und mich mit ihr versöhnen sollen? Aber so aufgebracht, wie ich selbst jetzt noch bin, würden wir uns am Ende möglicherweise nur noch mehr in die Haare kriegen. Und dass ich nun auch noch meine beste Freundin verliere, kann ich im Moment echt gar nicht gebrauchen. Sonst bleiben mir am Ende wirklich nur noch die Drogen – oder ich werde einfach gleich Mitglied in besagter Trommelgruppe.
Natürlich weiß ich, dass Kiki es nicht so gemeint hat. Trotzdem haben mich ihre Worte unglaublich getroffen, und ich bekomme sie einfach nicht mehr aus dem Kopf. Gunnar hat mich verlassen, weil ich für ihn unerträglich war? Ist das wirklich so? Okay, Kiki hat schon irgendwie recht. Ich habe wirklich oft über Gunnar geschimpft. Auch wenn mir das jetzt natürlich leidtut. Aber ich war halt in einer Krise. Das heißt, ich bin es noch. Ich meine, klar, wenn man so viel Pech hat wie ich, dann ist es doch nur normal, dass man sich darüber ausweint. Ein Partner, der einen liebt, sollte doch genau in solchen Momenten hinter einem stehen, oder? Pathetisch gesprochen: in guten wie in schlechten Zeiten. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwo was über die Länge steht, die eine schlechte Zeit andauern darf.
Meine Lebensumstände sind schon länger eher suboptimal.
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