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Gomorrha

Gomorrha

Titel: Gomorrha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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stocherten. Die Klimaanlage in dem Geschäft brachte kaum Abkühlung. In den alten Vitrinen standen Bataillone, Regimenter und Armeen ein bis zwei Zoll hoher, sorgfältig von Hand bemalter Soldaten, vom alten Ägypten über Vietnam bis zum Persischen Golf, Tausende winziger, wilder Krieger bis an die Zähne bewaffnet, alle in perfekt kopierten Uniformen. Highlander im Kilt. Legionäre der Fremdenlegion. Indianer auf fliehenden Pferden. Siedler, um Planwagen geschart. Quantrill und seine Bande. Er sah sein Gesicht in der Scheibe: Begeistert wie ein Kind, starrte er auf die großartigen Zinnsoldaten des Bürgerkriegs. Die Blauen und die Grauen. Abraham Lincoln mit dem Zylinder, die eine Hand am Revers. Robert E. Lee, der Held der Südstaaten. Und natürlich der große Grant. Er war noch in den Anblick Grants vertieft, als er in der Scheibe den Besitzer von hinten kommen sah.
    »Was kann ich für Sie tun? Wenn Sie sich etwas genauer ansehen möchten, mache ich gern die Schränke auf.« Es war ein bulliger Mann mit knappem T-Shirt. Er schwitzte. An seinen Fingern und Händen war Lackfarbe. Draußen grollte Donner. Die ersten Regentropfen prallten vom Gehsteig ab und schlugen gegen die Schaufensterscheibe. »Mal sehen … Sie sind ein Bürgerkriegs-Fan. Richtig?«
    »Als Kind, ja. Jetzt … Haben Sie hessische Söldner aus dem Unabhängigkeitskrieg? Grün und weiß …«
    »Hm, mal sehen.« Der Mann schob die Brille auf die schweißnasse Stirn. »Die werden nicht oft verlangt. Nur von echten Sammlern. Sie sind ein Mann, der weiß, was er will.«
    »Ja, das könnte man wohl sagen.«
    »Sie waren Soldat, ja?«
    »Ist schon lange her.«
    Der Dicke in dem zu engen T-Shirt ging langsam an den Vitrinen vorbei und musterte seine Truppen. Immer wieder schob er die Brille hoch. »Also, die Hessen müßten genau hier sein. Sind sie aber nicht. Sie könnten aber welche bestellen, was meinen Sie? Ich hab’ die Figuren, aber sie sind noch nicht bemalt. Das könnte ich schnell erledigen und sie Ihnen nächstes Wochenende schicken. Ich bezahle auch das Porto. Schließlich hätte ich welche vorrätig haben müssen. Na, ist das Dienst am Kunden?«
    »Das ist großartig, aber ich fürchte, das geht nicht. Ich weiß selbst nicht, wo ich sein werde. Ich reise durchs Land.«
    »Gut, nehmen Sie einen Katalog mit. Sie können mich jederzeit anrufen. Hessen. Ich vergesse Sie nicht. Übrigens – ich heiße Mike.« Er streckte eine der großen, feuchten Hände aus.
    »Curtis«, sagte der Mann und schüttelte die Hand.
    »Aber ich kann Sie unmöglich ohne einen Soldaten weggehen lassen. Sie haben sich doch General Grant angesehen!«
    »Ja. Meine ersten Zinnsoldaten waren aus dem Bürgerkrieg. Mein Großvater hat sie mir geschenkt. Er hatte sie von einem Mann bekommen, der bei Chickamauga mitgekämpft hat.«
    »Nein, so was!« sagte der Dicke und bekam einen verträumten Blick.
    »Die Soldaten waren das erste, was ich besaß, das mehr als ein Fünfcentstück wert war.«
    »Wo sind sie jetzt?«
    »Ach, Sie wissen schon …« Westerberg zuckte die Schultern.
    »Ja, ja. Verstehe … Sie haben sie als Kind verschlampt.« Mike lächelte mit seinem Mund und seinem Dreifachkinn. Diese Geschichten hatte er alle schon gehört. »Oder Ihre Mutter hat sie weggeworfen, als Sie aufs College gingen.«
    »Nein, ganz so war es nicht.« Westerberg betrachtete die Figur Ulysses Simpson Grants. Dieser große Mann. Er erinnerte sich, wie die Figur durchs Zimmer gegen die Wand geflogen war, und hörte dazu die Stimme seiner Mutter: »Nicht die Soldaten des Jungen, Frank, nicht die Soldaten aus dem Bürgerkrieg! « Er sah General Grant auf dem Linoleumboden aufprallen und sah seinen Vater, der mit wutverzerrtem Gesicht auf den Zinnsoldaten starrte. Langsam, aus Angst den Vater nicht aus den Augen lassend, griff er nach General Grant. Doch da hob sein Vater den Stiefel, und der Junge zog die Hand zurück, weil er wußte, was kommen würde. Dann trat der Stiefel auf die Figur des großen Mannes …
    Es spielte keine Rolle mehr, warum. Sein Alter war ein Mistkerl gewesen, der Frau und Kind verprügelte, aber schließlich hatte er bekommen, was er verdiente, und noch mehr. Westerberg machte daraus keine rührselige Geschichte, nicht so wie die Leute heutzutage. Wenn es ihnen mal schlechtgegangen war, machten sie daraus für den Rest ihrer Tage eine perfekte Entschuldigung, warum sie ihr Leben versaut hatten. Er hatte vor langer Zeit aufgehört, sich darüber den Kopf zu

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