Gorian 2
während der Fahrt mit Torbas im Reich des Geistes empfunden hatte.
Den eisigen Wind, der ihm entgegenwehte, milderte er mittels eines leichten magischen Schirms, der sich durch einen einfachen Gedanken über das Schiff wölben ließ. Den Zauber, der dazu nötig war, brauchte der gegenwärtige Steuermann der Sonnenbarke von Pela keineswegs selbst zu wirken, er war vielmehr schon da und musste nur noch in Kraft gesetzt werden.
Ein gleißendes Licht ließ ihn den Blick wenden, und er sah zum Schattenbringer, um den sich der Sonnenkranz noch einmal deutlich vergrößert hatte. Das dunkle Gestirn hatte sich zweifellos in Bewegung gesetzt, und erstmals seit längerer Zeit brach die Dämmerung sichtbar auf. So viel Helligkeit hatte es lange nicht gegeben. Man konnte fast meinen, dass ein neuer Tag anbrach.
Der Schattenbringer gab stetig ein bisschen mehr von der Sonne frei. Aber Gorian gab sich keinen Illusionen hin. Die Kraft, die den finsteren Himmelskörper in Bewegung versetzt hatte, würde längst nicht ausreichen, um ihn gänzlich von der Sonne wegzuschieben. Sie würde erlahmen, und
dann gewannen wieder jene dunklen Kräfte die Überhand, die Morygor einsetzte, um die Welt zu verderben. Das Pendel würde zurückschwingen und die Finsternis danach tiefer sein als zuvor.
Und auch die Hoffnungslosigkeit …
Meister Thondaril meldete sich über das Handlicht.
Es war nicht das erste Mal, dass der zweifache Ordensmeister versuchte, Gorian seit seinem plötzlichen Aufbruch aus dem Hafen von Pela zu erreichen. Diesen hatte Thondaril ebenso verfolgt wie zuvor den schrecklichen Sturz und die Flucht von Torbas und Sheera.
Aber zunächst hatte sein ehemaliger Schüler seine Versuche ignoriert, mit ihm in Verbindung zu treten, um sich voll auf die Lenkung des Himmelsschiffs konzentrieren zu können; das hatte seine Aufmerksamkeit zunächst vollkommen in Beschlag genommen.
Nun endlich legte er die Handkanten gegeneinander, ließ ein Licht in seinen Händen entstehen, und das Gesicht des zweifachen Ordensmeisters erschien darin.
»Endlich, Gorian! Ich hatte schon die schlimmsten Befürchtungen …«
»Es geht mir den Umständen entsprechend«, erklärte Gorian. »Torbas hat sich auf Morygors Seite geschlagen. Und er hat Sheera in seiner Gewalt.«
»Sie waren schwach, Gorian. Jedem von uns hätte das passieren können.«
»Können, aber nicht dürfen«, erwiderte Gorian. »Meister, warum habe ich nicht bemerkt, welche Veränderungen in meinen Gefährten vor sich gingen?«
»Vielleicht hast du es und wolltest die Wahrheit nur nicht sehen. Davon will ich mich selbst nicht freisprechen.«
»Mag sein. Ich bin ihnen jetzt auf den Fersen und werde ihnen bis in die Frostfeste folgen, wenn es sein muss.«
»Kehr um, Gorian. Du begibst dich in eine Gefahr, der du noch nicht gewachsen bist.«
»Nein, das kann ich nicht«, widersprach Gorian mit Bestimmtheit.
»Verbanne die Gedanken an Torbas und Sheera aus deinem Geist. Sie werden dich nur schwächen bei den großen Herausforderungen, die dir immer noch bevorstehen.«
»Ich kann Sheera nicht einfach aufgeben. Sie ist Torbas nicht aus freien Stücken gefolgt.«
»Bist du dir sicher?«, fragte Meister Thondaril.
Die Wahrheit war, dass er sich keineswegs sicher war. Immerhin war die gedankliche Verbindung zwischen ihnen abgerissen.
»Ihr hattet von Anfang an recht, als Ihr daran gezweifelt habt, dass Torbas des Meisterrings würdig ist«, murmelte er.
Auf einmal wurde Thondarils Bild in seinen Händen undeutlich. Es verschwamm und war im nächsten Moment verschwunden.
» Gorian?« , klang ihm noch die Gedankenstimme seines Mentors im Kopf.
Dann riss die Verbindung vollkommen ab.
Morygors Aura, dachte Gorian. Es war ihm nicht bewusst gewesen, wie stark sie in dieser Gegend bereits war. Je tiefer er in das Frostreich eindrang, desto mehr überlagerte sie alles andere, den eigenen Willen ebenso wie jede Art von Magie, die Morygor nicht zu dulden bereit war.
Gorian versuchte mithilfe seiner magischen Sinne zu erspüren, wohin genau sich Torbas und Sheera gewandt hatte. Die grobe Richtung kannte er.
Schließlich spürte er deutlich Torbas’ magische Kraft –
und die Magie der Dreizahnigen. Beides war für ihn wie eine gut sichtbare Fährte, und so war es ihm ein Leichtes, ihr zu folgen.
Unter sich sah er immer wieder Eisschollen gen Süden treiben, die bis zum Rand mit den Horden des Frostreichs besetzt waren. Sie manövrierten mit einer Leichtigkeit gegen die
Weitere Kostenlose Bücher