Gott sacker Kriminalroman
Im
Bohnenstengel, meiner Stammkneipe, wurde ich deswegen immer geärgert. Das Handy
hatte noch einen beachtlichen Antennenstummel – vermutlich war es ein Männchen.
Mit zittrigem Daumen tippte ich auf den winzigen Tasten
herum, aber umsonst. Funkloch.
Schwitzend setzte ich mich auf den heißen Sattel meines
Stahlrosses. Mit Zeigefinger und Daumen schloss ich meinen schwarzen Sturzhelm
unterm Kinn. Mit dem Daumen drückte ich den Starterknopf des Metall gewordenen
Traumes aus Milwaukee. Als ich anfuhr, ging mir ein Gedanke durch den Kopf: Was
würde ich ohne Daumen machen?
Oft bin ich mit mir unzufrieden, immer wenn ich an
Unwesentliches denke, wenn ich Wesentliches denken müsste. Bestimmt sollte ich
hierin die Ursache suchen, dass es mit meiner Studiererei nicht so richtig
geklappt hat. Meine Mutter hatte immer geschimpft: ›Ewiger Student, typisches
Gammelstudium‹. Aber … genau so war es auch. Begonnen hatte ich in
Heidelberg, Lehramt Kunst und Englisch. Gescheitert bin ich am Ti-eitsch ›th‹.
Oder vielleicht auch an anderem. Dann Parapsychologie in Freiburg bei Professor
Johannes Mischo. War klasse, aber dann hatte ich Dörthe aus Herne
kennengelernt.
Heilandzack!
Ein in einer Kurve zu umfahrender Kuhfladen riss mich aus
Gedanken, die fehl am Platze waren. Noch wenige Meter bis zum Ortsschild von
Riedhagen.
Am Gasthaus Zum Goldenen Ochsen lag eine Katze
im Schatten des lang gezogenen Vordaches. Als ich vor ihr anhielt, öffnete sie
kurz die Augen, schaute mich vorwurfsvoll an und zuckte mit dem schwarz-weißen
Ende ihres Schwanzes. Sie hatte nichts gegen Motorradfahrer.
Ich klingelte. Die beleibte Wirtin kam mit einer geblümten
Kittelschürze, unter der die Träger ihres BH s von beachtlicher Größe
hervorblitzten, aus der Tür.
»Wir haben noch nicht geöffnet, erst ab 16 Uhr!« Im
gleißenden Gegenlicht hatte sie mich wohl nicht erkannt. Aber jetzt lachte sie:
»Ja, was treibt dich um die Zeit hier her, und das auch noch an einem
Donnerstag, setz dich zu einem Bier, du siehst ganz verdurstet aus.«
Sie streckte mir die Hand entgegen.
»Na, Danile, und wie geht’s sonst? Siehst ein bisschen bleich
aus, na, die Hitze und das schwarze Lederzeugs. Ja, Heiland der Welt und neue
Stiefel hat’s auch gegeben, sieht fast wie echtes Leder aus. Jetzt sag schon,
was treibt dich her?«
»Ein Bier, ich brauch zuerst ein Bier.«
»Von mir aus, aber was ist los, der Durst allein wird’s nicht
sein und die Cäcilia kommt ja erst nächste Woche wieder von Tübingen.«
Ich erzählte ihr in wenigen Worten, was ich in der
zerfallenen Kapelle vorgefunden hatte.
Schade, dass Cäci dieses Wochenende nicht kommt. Na ja,
man kann nicht alles haben. Wahrscheinlich ist sie noch ein wenig sauer auf
mich.
Als sie die Polizei verständigt hatte, kam sie
mit dem hellen, bernsteinfarbenen Bier in der Hand auf mich zu. Im Gegenlicht
blitzte ein Sonnenstrahl durch das labende Getränk, den Rest der Sonne
verdeckte die Ochsen-Wirtin mit ihrem feisten Körper. Sie sah aus wie eine
Erscheinung, langsam als Schattenriss kam sie mit kiesknirschenden Schritten im
Biergarten auf mich zu und das Glas WalderBräu naturtrüb hell leuchtete immer
noch in ihrer Hand.
»Gott sei Dank.«
»Äh, ja zum Wohl – bist wohl noch etwas durcheinander. Wer
das wohl ist in der Wendelinskapelle?«
Gierig trank ich die ersten zwei Schlucke. Ich hätte es
wissen müssen, sofort schoss mir ein scharfer Schmerz wie ein Lametta-Streifen
durch das Gehirn. Immer wenn ich Kaltes zu schnell trank, verspürte ich den
ominösen Schmerz unter meinem Schädelknochen. Was heißt Kaltes, eigentlich nur
Bier. Wenn ich Kaltes trinke, ist es immer nur Bier … Vielleicht müsste
ich mal zum Arzt. Aber dann heißt es bestimmt: ›Nutzen Sie noch die letzten
Tage, machen Sie eine Weltreise, oder tun Sie das, was Sie schon immer tun
wollten.‹ Ich hasse Reisen, insbesondere Weltreisen, und das, was ich schon
immer machen wollte, mache ich eigentlich ständig. Meine Gedanken schweiften
wieder ab. Im Schatten des mächtigen Kastanienbaumes schaute ich hinunter ins
Ried. Sanft fiel die Landschaft in die Ebene des Pfrunger-Burgweiler Rieds ab,
das in der Bevölkerung lediglich Pfrunger Ried genannt wurde. Der Himmel war so
blau wie mein Handy, das sich immer noch weigerte, Kontakt zu einem Sendemast
aufzunehmen. Wenige weiße Wolken zeigten an, dass das Wetter die nächsten Tage
schön bleiben
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