Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Rosa
Vom Netzwerk:
Akazienholz und mit zum Teil auf dem Kopf stehenden Elfenbeinfiguren
verziert.
    Die Pilger gehen im
Uhrzeigersinn um die Apsis zum Schiff und kommen zur berühmten Bronzestatue des
Petrus. An diesem Festtag des Apostels ist sie in einen Mantel aus Goldbrokat
gekleidet und mit einer juwelenbesetzten Tiara gekrönt. Der vorangestellte rechte
Fuß ist von den Küssen ihrer Vorgänger blankpoliert. Er ist eine Erinnerung an
noch nicht lang vergangene Zeiten, als ein Papst bei der Audienz den Fuß auf
ein Kissen legen mußte, damit Besucher ihn bequem küssen konnten.
    Am 26. September 1977 kam Paul VI.
hierher, wie ein sterbender Sperling, den Tod schon im Gesicht, bevor er die
erste Synode der Bischöfe eröffnete. Er stellte eine brennende Kerze auf den
Boden und beugte sich dann in einer Weihrauchwolke nieder, um den Fuß der
Statue zu küssen.
    So viele Päpste müssen das
gleiche getan haben, in der Vigil von Peter und Paul herabgekommen sein, um am
Schrein der Apostelfürsten zu beten.
     
    In der Sakramentskapelle macht
sich die päpstliche Prozession bereit. Johannes Paul hatte den kürzesten Weg:
Er hat nur sein Büro im dritten Stock des Palastes verlassen. Doch in
vielfacher Hinsicht ist er in den vergangenen Minuten von weiter hergekommen
als irgend jemand sonst. Er hat die Angelegenheiten des Staates, die Probleme
der Vatikanstadt hinter sich gelassen und ist in seine Lieblingsrolle
geschlüpft: die des Kirchenoberhauptes. Für eine Weile kann er die Sorgen der
Kirche in seine Gebete legen. Niemand weiß besser als er, daß unter der Menge
der Versammelten, deren Murmeln er hören kann, viele befremdete Angehörige
seiner Herde sind. Priester leben in Konflikt mit ihren Bischöfen, Nonnen mit
ihren Oberen, und die Laien sind so aufgebracht gegen die Morallehre der Kirche
wie noch nie. Keinem Papst ist mehr gehuldigt und weniger gehorcht worden. In
dieser geheiligten Zeit konzentriert er sich auf seine Rolle als Hirte der
Weltkirche.
     
    Die Mitglieder seines
regenbogenfarbigen Gefolges — Prälaten, Kämmerer, Fürsten, Schweizergarden —
nehmen geschäftig die Ordnung ein, die das Protokoll vorschreibt, ziehen ein
letztesmal ihre Uniformen zurecht. Paul VI. hat all dem Federschwenken, dem
militärischen Aufzug, den blanken Waffen ein Ende gemacht. Waffen sind freilich
trotzdem da. Anders als jeder andere Papst ist Johannes Paul von den Männern
des Ufficio centrale di vigilanza in ihren blauen Anzügen umgeben. Sie
bilden die effektive Sicherheitstruppe des winzigen Stadtstaates. Sie sind
nicht nur bewaffnet, sondern sie haben auch Befehl zu töten, falls das Leben
des Papstes in Gefahr ist. Unter ihren Jacken tragen sie Walkie-talkies, die
mit dem Hauptquartier der römischen Stadtpolizei und den Büros der Digos, der
italienischen Antiterror-Truppe, verbunden sind. Der Papst wird respektlos als Il
Bersaglio, das Ziel, bezeichnet.
    Endlich schreitet der Oberhirte
beim Schall der Trompeten das Schiff hinab und segnet die Menge, die nach ihm
die Hälse reckt. Die Gläubigen sind blind für die weißgekleideten Bischöfe, die
Zweierreihe der Kardinale, die lilagewandeten Monsignori. Sie sehen nur den
Papst mit dem weißen Käppchen, den Mann an der Spitze von fast einer Milliarde
Katholiken, 4000 Bischöfen, 400 000 Priestern und einer Million Nonnen. Obwohl
sie jubeln in der Basilika, obwohl sie knien, klatschen, in Ohnmacht fallen,
und obwohl selbst ältliche Nonnen zum erstenmal seit Jahren ihre Hemmungen
vergessen, fühlen sie alle, daß er auf den Anderen fixiert ist, auf den Gott,
den er auf Erden vertritt und dem allein er verantwortlich ist. Der Papst ist
kein Pop-Idol, sondern der Stellvertreter Christi, und unter Christus wesentlich
für die Erlösung. Durch Wellen und Wellen der Huldigung, Blitzlichter und nur
halbgehörtem Gesang des Sixtinischen Chors — TU es Petrus, du bist
Petrus — erreicht er den Hochaltar.
    Sein Gefolge fächert sich auf,
nimmt seine weniger hohen Plätze ein. Die Sicherheitsleute verschwinden in die
Seitenkapellen. In jeder Hinsicht steht der Papst jetzt allein. So war es immer
mit dem römischen Oberhirten, doch keiner war je einsamer oder verwundbarer als
Johannes Paul II.
     
    In der Liste der Vatikans
erscheint er als der 263. Papst, doch die Zahl ist nicht gesichert. Es hat
Zeiten gegeben, wo es mehrere Päpste gab und niemand wußte, welcher der
rechtmäßige war. Zudem wurde es den Katholiken erst im Jahr 1073 durch Papst
Gregor VII. verboten, jemand anderen

Weitere Kostenlose Bücher