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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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verlassenen Cafeterrassen, Musikanten, einer Gruppe Hütchenspieler, die mit Geldscheinen fuchtelten, über die breite Kreuzung gegenüber dem Café »Kranzler«, hinter dem bugartig ein Glasgebäude aufragte, vorüber an einem Kino, in dessen Schaukästen Fotos von Außerirdischen hingen. Sie wichen den Zettelverteilern und Bettlern aus, keuchten in der frostigen Luft, drückten sich aneinander, wenn sie an einer Ampel warten mussten, sprachen kein Wort und sahen nur einmal auf, als sie dachten, sie hätten sich verlaufen. Doch ohne Umweg erreichten sie die Meinekestraße, wo der blaue Golf vor einem unscheinbaren Hotel stand.
    Sie schlangen die Arme umeinander, bissen sich aus Versehen, lachten nicht, spielten mit den Zungen. Julikas Finger brachten neues Chaos auf Ricos Kopf, und Rico knöpfte ihre Jacke auf und streichelte ihren Busen, zuerst über dem Pullover, dann darunter, dann ihren Bauch, und er ließ seine Hand dort und legte den Kopf in den Nacken. Und Julika küsste seinen Hals, und die Daunenjacke knirschte. Julika zog den Reißverschluss auf, und in einer gelungenen Verrenkung wand Rico sich aus der Jacke, und Julika warf sie auf den Rücksitz. Wieder berührten sich ihre Lippen. Und dann hatten sie beide dieselbe Idee. Sie öffneten den Mund nicht, sondern rieben, so langsam, dass es ihnen schwer fiel, die zusammengepressten Lippen aneinander und sahen sich dabei zu, als wären es nicht ihre eigenen Münder. Julika setzte sich auf Ricos Schoß und duckte sich, und er zog sie an sich. Sie streifte den Pullover ab und ließ ihn auf die Rückbank gleiten. Rico strich mit der Hand flach über ihren schwarzen BH, so wie sie mit ihrer Hand über sein Gesicht gestrichen hatte, und fuhr mit dem Finger am Stoff entlang und küsste ihren Busen. Als er den Verschluss öffnete, hatte sie nichts dagegen. Sie presste ihren Bauch gegen den seinen.
    Der BH rutschte herunter. Rico streckte die Zunge nach ihrem Körper aus und begann, den Gürtel seiner Hose zu öffnen. Doch Julika kippte zur Seite, setzte sich auf den Beifahrersitz und machte ein ernstes Gesicht.
    »Ich weiß, was du mir sagen willst«, sagte sie. Rico hatte den Kopf noch nach hinten geworfen, die Hand an der Gürtelschlaufe und ein Pochen zwischen den Beinen. Während Julika sprach, war er in seiner Vorstellung weiter in der Obhut ihrer Haut. »Du möchtest, dass ich das Kind bekomme. Aber ich möchte kein Kind, das aus einem Versehen entstanden ist. Verstehst du das nicht, Rico?«
    Ja, dachte er, ja, ja. »Nein«, sagte er. »Das war doch kein Versehen, das war doch Absicht auf dem Schiff.« Er schwitzte und wunderte sich, dass Julika nicht fror. Er sah sie an. Er musste ihren Busen ansehen, sie hatte eine Gänsehaut, aber das schien ihr nichts auszumachen. Er gab ihr den Pullover, und sie legte ihn sich in den Schoß.
    Er zögerte. Dann küsste er ihre linke und rechte Brust und die kleine Mulde dazwischen. »Ja«, sagte er. »Ich möchte, dass du das Kind bekommst.«
    Ihre Lippen zitterten. Vor Kälte oder vor etwas, das schlimmer war.

35
    S ie brauchten eine Stunde, um von Wilmersdorf in den Stadtteil Prenzlauer Berg zu gelangen. Am Potsdamer Platz mussten sie an einer Baustelle eine andere Strecke nehmen als die, die in der Karte eingezeichnet war, und sie landeten in der Oranienburger Straße, auf der zehn schwer bewaffnete Polizisten patrouillierten und mehrere Mannschaftswagen parkten. Julika stieg aus und fragte einen Imbissverkäufer nach dem Weg und dem Grund für das Polizeiaufgebot.
    »Hier ist die Synagoge«, sagte Julika, als sie wieder ins Auto sprang, fröstelnd, trotz Ricos Daunenjacke, die sie über den Pullover gezogen hatte. Durch Einbahnstraßen, abgedrängt von Straßenbahnen und Baufahrzeugen, fanden sie den Weg zur Karl-Liebknecht-Straße und von dort über den Alexanderplatz zur Greifswalder Straße.
    »Vor dem Friseurladen ist ein Parkplatz frei!«, sagte Julika. Rico hatte auf der ganzen Strecke höchstens drei Worte gesprochen. Beim Aussteigen warf Julika einen Blick durchs Fenster des Salons. Ein Mann und eine dünne Frau unterhielten sich und warteten offensichtlich auf Kundschaft. Der Laden hatte graue Wände und sah heruntergekommen aus.
    Die Straße war breit und grau. Die Häuser waren hoch und alt. Die Fußgänger wirkten abweisend, Radfahrer schossen über den Bürgersteig, und die Bäume standen schwarz und klapprig Spalier.
    Bevor sie klingelte, strich Julika Rico übers Gesicht.
    »Hier ruhen wir uns aus«,

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