Gottes Zorn (German Edition)
wärmt.
Beide Hände um den Becher gelegt, geht er erneut zum Fenster. Die Sterne funkeln an einem kristallklaren Himmel. Er sieht eine schmale Mondsichel. Ganz im Westen, auf der anderen Seite des Sundes, sind die Lichter von Kopenhagen zu erahnen.
Ich muss bald wieder rüberfahren und meine Brüder treffen, denkt er.
Mit einem Seufzer lässt er sich aufs Sofa fallen und schaltet den Fernseher ein. Zappt ohne größeres Interesse durch alle Kanäle, die er über die Parabolantenne empfängt. In Sveriges Television laufen Nachrichten.
Die Frau in der Polizeiuniform kommt ihm bekannt vor.
«Wir haben im Laufe des Tages einige technische Beweismittel gesichert», sagt sie. «Aber ich möchte betonen, dass wir noch nicht mit Sicherheit sagen können, ob es sich um einen Terroranschlag handelt. Wir gehen vorbehaltlos verschiedenen Spuren nach.»
«Welche Funde haben Sie am Tatort gemacht?»
«Darüber kann ich aus ermittlungstechnischen Gründen leider nichts sagen.»
Im nächsten Augenblick wird auf dem Bildschirm ein Foto eingeblendet. Ein älterer Mann mit groben Gesichtszügen, schweren Wangen, hellen Wimpern und dünnem gewellten Haar, das ihm bis über die Ohren hängt.
Der junge Mann spürt, wie sein Herz heftiger zu schlagen beginnt.
«Mårten Lindgren wurde der Allgemeinheit vor zwei Jahren bekannt, als er eine Anzahl von Ölgemälden ausstellte, auf denen er den Propheten Mohammed in Gestalt eines Schweins darstellte», berichtet der Reporter. «Die Bilder erregten bei Muslimen sowohl in Schweden als auch weltweit negatives Aufsehen. Doch gewisser Quellen innerhalb der Säpo zufolge nahmen die Drohungen mit der Zeit ab. Die Polizei schließt auch andere Mordmotive nicht aus.»
Mit einer gewissen Erregung beginnt der junge Mann erneut durch die Fernsehkanäle zu zappen. Immer noch nichts auf Al-Dschasira, nichts auf BBC , aber er bekommt einen kurzen Ausschnitt auf Al-Arabiya mit, bevor der Programmpunkt endet und der Studioreporter über ein Selbstmordattentat in Kabul berichtet.
Er springt auf und holt seinen Laptop. Klappt ihn auf und trommelt ungeduldig mit den Fingern, während das Gerät hochfährt. Auf seiner bevorzugten Website findet er sofort, wonach er sucht.
In Allahs Namen, gepriesen sei unser Bruder in Schweden, welcher den Hund tötete, der den Propheten geschmäht hat.
Die arabischen Schriftzeichen leuchten triumphal in Grün, Rot und Schwarz. Dem jungen Mann wird warm ums Herz.
Dort sind Fotos und Videoausschnitte von Explosionen zu sehen. Männer mit Palästinenserschals vor dem Gesicht, die mit Maschinengewehren hantieren und laut skandieren. Stolze Fahnen, die im Wüstenwind wehen. Es handelt sich um altes Material, das ihm wohlbekannt ist. Also noch keine aktuellen Fotos aus Schweden.
Doch das Forum wird bereits von lauter Beifallsbekundungen überschwemmt.
Ein großer Mujaheddin hat gesiegt
, liest er.
Einige Klicks weiter im Cyberspace:
Gott bestraft Schweden, weil ihr es zugelassen habt, dass ein Gotteslästerer den Propheten geschmäht hat, und weil ihr eure Soldaten in Afghanistan in den Dienst Satans gestellt habt. Es lebe das Kalifat!
Wieder und wieder liest er die Beiträge. Der Gedanke, dass sie aus aller Welt kommen, erfüllt ihn mit Stolz. Er steht auf und geht zum Fenster. Die Frau, deren Silhouette er im Fenster gegenüber gesehen hatte, ist inzwischen verschwunden. Der junge Mann schaut lange hinaus auf die Lichter der eingefrorenen Stadt.
Dann setzt er sich wieder vor seinen Laptop und klickt sich ins Textfeld ein. Seine Finger hämmern regelrecht auf die Tasten ein. Wir sind überall, denkt er. Wir werden siegen.
Als er fertig ist, klappt er den Laptop zu und fällt auf dem kleinen Gebetsteppich, den er neben dem Bett ausgerollt hat, auf die Knie.
Kapitel 5
D as Dröhnen eines Dieselmotors ließ die Scheiben des Küchenfensters erzittern. Als Joel hinausschaute, sah er eine schwarze Rauchsäule aus dem Auspuff eines riesigen John Deere aufsteigen, der in einer aufstiebenden Schneewolke auf den Hof einbog.
Langsam stellte er die Kaffeekanne in die Maschine zurück. Gunnar, dachte er. Jede Wette.
Der Traktor hielt nur wenige Meter vom Haus entfernt mit einem Ruck an. Die Tür zum Führerhaus wurde geöffnet, und ein Mann in Gummistiefeln, dickem Overall und Pelzmütze mit Ohrenklappen kletterte herunter. Er schaute sich nach Joel um und winkte, als er ihn hinter dem Fenster erblickte. Spuckte ein braunes Klümpchen Tabak in den Schnee und kam mit
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