Gottes Zorn (German Edition)
der Unruhe. Besonders im Winter, wenn sich der Himmel blau und violett färbte und sie so früh hereinbrach, dass er sich kaum darauf einstellen konnte. Das Thermometer vor dem Fenster im Wohnzimmer zeigte minus sechzehn Grad an. Joel schaltete das Deckenlicht aus und spähte hinaus.
Er konnte keinerlei Lebenszeichen ausmachen.
Nach einer Weile kehrte er zu Sessel und Laptop zurück. Er betrachtete die Sätze, die er geschrieben hatte. Gähnte so ausgiebig, dass es in seinen Kiefergelenken knackte. Dann gab er seinem inneren Drang nach und wählte sich bei «match.com» ein. Er klickte auf die Liste
Ich bin ein Mann, der eine Frau sucht
. Wählte zwischen den Altersstufen aus, entschied sich für fünfzig plus. Eine richtig reife Frau, dachte er und bekam rote Ohren.
Als er des Angebots der nach Zärtlichkeit dürstenden Frauen auf dieser Website überdrüssig wurde, loggte er sich bei «motesplatsen.se» ein und schaute, was dort angeboten wurde.
Helena 37
aus Kristianstad sah ganz süß aus. Einige Sekunden lang ließ er den Cursor über ihrem Bild schweben. Dann überlegte er es sich anders, und ehe er sich versah, befand er sich auf «hornybabes.com». Schmachtende Frauen mit glasigen Blicken, feuchten Lippen und aus Seide und Leder hervorquellender nackter Haut präsentierten sich auf dem Bildschirm. In seinem Unterleib begann es heiß und drängend zu pochen.
In dem Moment klopfte es unmittelbar neben ihm leicht an der Fensterscheibe. Joel fuhr so heftig zusammen, dass er beinahe vom Sessel gefallen wäre. Ein weißes Gesicht presste sich von außen gegen das Glas, eine platte Schweineschnauze mit schwarzen Nasenlöchern und schielenden Augen. Im nächsten Augenblick war es wieder verschwunden. Lediglich ein feuchter Fleck blieb zurück, der Beweis, dass er sich nicht getäuscht hatte.
Als es an der Tür klopfte, wusste er, wer es war. Britt, dachte er. Typisch.
Blitzschnell loggte er sich aus und klappte den Laptop zu.
«Hast du dich erschrocken?», fragte sie ihn, als sie mit strahlendem Lächeln in der Türöffnung stand.
Im Arm hielt sie einen großen Topf. Joel lachte verlegen.
«Tut mir leid, ich wollte dir keine Angst einjagen», sagte sie. «Aber es sah so lustig aus, wie du da gesessen und wie ein Verrückter auf den Bildschirm gestarrt hast. Hast du dir etwa Pornos angeguckt?»
«Was? Nee, ich hab versucht zu schreiben. Aber komm doch rein …»
«Ich hab dir ein bisschen Hacksoße mitgebracht, die übrig geblieben ist. Dachte, dass dir vielleicht langsam die Essensvorräte ausgehen.»
Sie streckte ihm den kalten Topf entgegen und lächelte mit klaren blauen Augen. Die Wärme im Haus färbte ihre Wangen rot.
«Danke … Aber wie bist du denn hergekommen?»
«Ich bin in den Wagenspuren von Gunnars Traktor gegangen. Hab gehört, dass er heute Morgen hier war.»
Joel nickte, sagte jedoch nichts. Er bemerkte, dass sie zögerte, bevor sie ihren Mantel aufhängte und die Stiefel auszog.
«Gunnar hat es eigentlich nicht gerne, wenn ich …»
«Scheiß auf Gunnar», unterbrach Joel sie. «Möchtest du ein Glas Wein?»
«Nein, ich bleib nicht lange. Ich wollte nur … tja, sagen, dass mir das mit Mårten schrecklich leidtut.»
«Ja.»
«Glaubst du, dass es wahr ist, das mit den Terroristen?»
Sie schaute ihn mit demselben treuherzigen Blick an, den er aus einer lange zurückliegenden Vergangenheit so gut kannte. Britt, die immer nach Zitronen duftete. Joel stellte den Topf auf den Herd.
«Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.»
«Gunnar meint, dass es daran liegt, dass wir so viele Ausländer ins Land gelassen haben. Er schwafelt die ganze Zeit davon.»
«Gunnar ist ein Idiot. Du hättest dich schon längst von ihm scheiden lassen sollen.»
Ein Schatten zog über ihr Gesicht. Doch dann schien sie so zu tun, als hätte sie es nicht gehört.
«Kann ich vielleicht stattdessen einen Tee bekommen?»
Mit einem Mal spürte Joel im ganzen Körper, dass er sie gerne bei sich behalten würde, dass er einen lebenden Menschen aus Fleisch und Blut in seiner Nähe brauchte, jemanden, mit dem er reden und die Wärme teilen konnte.
«Hab ich dir eigentlich erzählt, dass ich mal Koch war?», fragte er, während er in der fast leeren Speisekammer nach einem Teebeutel suchte.
«Nein.»
«Na ja, Koch … eigentlich war ich eher Tellerwäscher.»
Er schielte rüber in Richtung Topf, dann zu Britt und lachte angesichts einer Erinnerung, die ihm in den Sinn kam.
«Hacksoße war übrigens
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