Gottesopfer (epub)
Eisenring. Er nahm sie und legte ihr den Ring, ohne ein weiteres Wort zu sagen, um den FuÃ. Das andere Ende der Kette machte er am Bett fest und sicherte es mit einem schweren Eisenschloss.
»Viel Vertrauen hast du ja nicht zu deiner Zukünftigen«, sagte Lina so sanft wie möglich. Sie versuchte zu lächeln, doch sie konnte nicht verhindern, dass sie plötzlich am ganzen Körper zitterte.
Er sah sie kalt an und zischte: »Bete in deinen letzten fünf Minuten für deine schwarze Seele, Lina.«
Dann verlieà er den Raum. Er lieà die Tür offen, aber das half ihr nun auch nicht mehr. Offenbar ging er nicht nach oben, sondern blieb im Keller. Sie hörte, wie er in einem anderen Raum Gegenstände anhob und sie wieder abstellte. Er schien etwas zu suchen.
Lina wurde schwindelig. Der Schmerz brannte in ihr. Dann, ganz plötzlich, verstand sie die Zeichnung. Warum war sie nicht schon eher darauf gekommen? Sie erhob sich langsam, achtete darauf, dass die Kette nicht allzu viel Geräusche machte, und hob mit dem letzten bisschen Kraft, die noch in ihr steckte, die eine Seite des schweren Eisenbettes hoch. Sie hörte ein leises Klirren und setzte das Bett wieder ab. Vor ihren FüÃen lag etwas, das aus dem hohlen Fuà des Bettgestells herausgefallen war. Sie hörte wieder Schritte. Sie bückte sich und griff blind nach dem glitzernden Gegenstand, ohne den Gang hinter der Tür aus den Augen zu lassen. Ihre Finger schlossen sich, und sie spürte einen Schmerz in ihrer Handfläche. In diesem Moment betrat er das Zimmer. Ihr Herz pochte schnell und unregelmäÃig, wieder durchbohrte sie dieser Schmerz, der ihr schier den Atem nahm. Dann spürte sie, wie ihre Handinnenfläche feucht wurde. »So, nun wirst du lernen zu gehorchen! Leg dich hin«, sagte er barsch. Er hatte einen Trichter und ein braunes Glasgefäà ohne Etikett in der Hand.
Er schüttete ein wenig der Flüssigkeit auf den Boden. Der beiÃende Geruch der Salzsäure stieg in einer Wolke nach oben, und Lina hielt die Luft an. Dann kniff sie die Augen zusammen und holte aus.
Die Scherbe in ihrer Hand zerschnitt sauber wie ein Skalpell seine Halsschlagader. Die Augen ungläubig aufgerissen, griff er sich an den Hals. Das Blut sickerte unaufhörlich zwischen seinen Fingern hervor, schlängelte sich wie kleine Vipern an seinem Unterarm entlang und tropfte vom Ellenbogen direkt auf den dunklen Fleck auf dem nackten Betonboden. Er schwankte. Noch bevor seine Beine den Dienst versagten und er zusammensackte, glitt ihm die braune Glasflasche aus der Hand. Ein letztes Aufstöhnen, und dann brach er vom Schmerz überwältigt zusammen.
»Wie heiÃt es in der Bibel? Auge um Auge, Zahn um Zahn. Für alles bezahlt man im Leben. Wenn nicht in diesem, dann in einem anderen,« sagte Lina leise und lieà sich schwer atmend auf das Bett sinken.
65
Juri war gerade auf dem Weg nach unten ins Büro, um seine Jacke zu holen. Er war in Eile, schlieÃlich wartete Sam in der AbteistraÃe auf ihn. Nachdem er dabei zugesehen hatte, wie man den Leichnam von Pater Dominik von der Wand genommen hatte, war ihm das kleine Kellerbüro mit dem dunklen verlassenen Gang nicht ganz geheuer gewesen. Er hatte sich auf den freien Platz eines Kollegen in den oberen Büros gesetzt und die ganze Recherche über Elisabeth Lange von dort aus gemacht. Schon auf der Treppe hörte er das Telefon klingeln. Sam konnte es nicht sein, er würde ihn auf dem Handy anrufen. Er überlegte, ob er einfach nicht rangehen sollte, nahm dann aber doch ab. Es war das Kloster in Feldenbergen, in dem Schwester Augustina einst ihr Gelübde abgelegt hatte. Dort kannte man ihren richtigenNamen: Sie hieà Anna Maria Rieckmann. Rieckmann sagte ihm jedoch gar nichts. Er bedankte sich für den Anruf und zog seine Jacke vom Stuhl, als ihm ein Zettel auf dem Tisch auffiel, den er dort nicht hingelegt hatte. Jemand musste ihn, während er oben gewesen war, dort hingelegt haben. Es war ein Schreiben vom Einwohnermeldeamt in Stuttgart, das per Fax gesendet worden war. Er war etwa eine Woche alt. Wahrscheinlich aus Nachlässigkeit oder weil keiner so genau wusste, wo dieser Kollege aus München sein Büro hatte, hatte es erst jetzt den Weg in Sams und Juris Kabuff gefunden. Es enthielt die Geburtsdaten von Pater Dominik und die Namen seiner Eltern und Geschwister.
Aufgeregt überflog er die Daten auf
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