Gottesopfer (epub)
hat. Sie lebt von einer Witwenrente â ihr Mann ist vor Jahren gestorben â und von einem nicht unbeträchtlichen Vermögen. Sie hat keine Kinder und wohnt allein in einer Villa in der AbteistraÃe.«
»Gut, dann guck mal nach, ob du im Telefonbuch einen Konstantin Lange findest.«
»Moment«, meinte Juri, und Sam und Doktor Ritter hörten, wie er etwas in den Computer eingab. Dann meldete sich Juri wieder: »Konstantin Lange gibt es gar nicht. Dafür fünf K. Lange. Alle über die Stadt verteilt, aber keiner oder keine wohnt in Pöseldorf.«
»Hm â¦Â warte mal kurz.« Sam wandte sich an Doktor Ritter. »Wissen Sie vielleicht, wo Ihr Patient wohnt?«
»Nein, tut mir leid, um die Verwaltung kümmert sich Frau Lopez, Lina.«
»Schade. Juri, hörst du mich? Dann guck mal nach, ob gegen einen Konstantin Lange etwas vorliegt, ob er schon mal aufgefallen ist.«
Wieder hörte man Tastenklappern und nach einer Weile Juris Stimme: »Keine Vorstrafen. Nichts. Was soll ich jetzt machen?«
»Check die Verwandten von Elisabeth Lange. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie an einem Mittelalterfest in Bayern teilgenommen hat und alleine quer durchs ganze Land gefahren ist. Und dann ruf noch mal bei der Bank an, frag, wann sie sie das letzte Mal persönlich gesehen haben. Und meld dich wieder, wenn du was hast!«
Sam legte auf und bog in die Alsterkrugchaussee ein, die StraÃe, die am Eppendorfer Moor vorbeiführte, wo sie die Asche von Isabella Longi gefunden hatten. Er fuhr daran vorbei und folgte der StraÃe zur Klinik Ochsenzoll, in der sich vor nicht einmal einer Woche seine Schwester umgebracht hatte â und in der wahrscheinlich die einzige Frau saÃ, die ihm sagen konnte, wer der Mörder war.
62
Konstantin hatte den Defibrillator bereits das eine oder andere Mal angewandt, wenn die verdorbenen Seelen bei seiner Befragung frühzeitig aus dem Leben scheiden wollten und er sein Werk noch nicht vollbracht hatte. Dieses Mal rettete der Defibrillator das Leben seiner Geliebten. Linas Herz schlug wieder. Sie lag mit geschlossenen Augen vor ihm und atmete, flach zwar nur, aber sie atmete.
Sie durfte nicht ohne ihn gehen, er wollte nicht wieder allein gelassen werden. Er musste bei ihr bleiben, um sicherzugehen, dass sie beide auf ewig im Paradies leben würden.
Er ging nach oben und löste die Tabletten in zwei Wassergläsern auf. Es ging jetzt nur noch um ihn und Lina, alles andere zählte nicht mehr. Er hatte einige Seelen dem Teufel entrissen, sein Werk sollte nun ein anderer fortführen.
Lina wachte auf. Sie fühlte sich elend und schwach. Er war fort, und sie war das erste Mal ohne Fesseln. Neben dem Bett stand ein Tablett mit zwei Suppentellern, daneben lagen ein Block und ein Stift. Sie griff danach, doch ihr Arm schien Tonnen zu wiegen. Alles fiel ihr schwer, ihre Bewegungen waren langsam. Doch dann hatte sie beides zu sich gezogen und aufgehoben. Sie hielt den Stift über das Papier und wartete.
»Hallo? Seid ihr da?«, fragte sie in Gedanken. Ihr Arm begann zu kribbeln und schrieb ein groÃes geschwungenes »Ja«.
»Was soll ich machen? Helft mir!«, dachte Lina.
Der Stift in ihrer Hand bewegte sich über das Papier, zeichnete Striche und verband sie miteinander. SchlieÃlich sah sie ein Bett.
»Ein Bett? Was soll ich damit anfangen?« Lina überlegte, während ihr wieder schwarz vor Augen wurde. »Was ist mit dem Bett?«, fragte sie in Gedanken.
Ihre Hand malte einen geschwungenen Pfeil, der nach oben zeigte. Unter dem Bett konnte es nicht sein, dann würde der Pfeil nach unten zeigen. Auf dem Bett, über dem Bett? Lina verstand nicht. Sie war verzweifelt, sie fühlte, wie ihre Kraft sie wieder verlieÃ. Dann hörte sie Schritte.
63
Wieder musste Sam den weiÃen Gang entlanggehen, und er hoffte inständig, dass es das letzte Mal war. Die Erinnerung an seine Schwester und die Trauer schnürten ihm die Kehle zu. Dort war das Zimmer, in dem sie gestorben war. Er drehte den Kopf nach vorne und ging weiter. Dann erreichten sie das Zimmer der rätselhaften Frau.
Doktor Willfurth öffnete mürrisch die Tür und trat dann, gefolgt von Sam und Doktor Ritter, ein. Der Arzt war strikt gegen das Experiment gewesen und hatte zunächst seine Erlaubnis verweigert. Sie sei schlieÃlich seine Patientin, hatte er gesagt, und dass
Weitere Kostenlose Bücher