Gottesopfer (epub)
stellen sollte. Sam spürte, wie groà Juris Angst war, und auch ihm war unheimlich zumute. Die Waffe im Anschlag, ging er Stufe für Stufe langsam in den Keller hinunter. Auf der letzten Stufe blieb er stehen und sah sich um. Er stand in einem groÃen Vorraum. An den Wänden standen Holzregale, in denen Kisten gestapelt, altes Werkzeug und abgegriffene Haushaltsflaschen gelagert wurden.
Weiter hinten stand eine Tür halb offen. Schon vom Fuà der Treppe aus sah er, dass dort jemand lag. Der GröÃe der FüÃe nach zu urteilen, war es ein Mann. Auf jeden Fall nicht Lina. Erleichtert atmete er aus und ging auf die Holzttür zu. Die Waffe immer noch im Anschlag, trat er leicht dagegen, sie schwang zur Seite und gab den Blick frei auf den gesamten Raum. Plötzlich stach ihm ein ätzender Geruch in die Nase, nahm ihm beinahe den Atem, und er bedeckte seinen Mund schützend mit dem Ãrmel.
Vor ihm auf dem Boden lag in einer groÃen Blutlache ein Mann mit entstelltem Gesicht, und halb auf dem Bett, halb auf dem Boden lag Lina. Trotz des schummrigen Lichts konnte er sehen, dass sie kalkweià war.
Er kniete sich neben sie und fühlte ihren Puls. Nichts. War er zu spät gekommen? Ihm fielen die Worte ihrer Mutter ein. »Und man sagt, dass ein transplantiertes Herz schneller altert und nach etwa dreizehn Jahren ersetzt werden muss.«
Er erstarrte. Dann schrie er mit sich überschlagender Stimme nach oben: »Juri, ruf einen Krankenwagen! Sofort!«
Er versuchte, sie aufs Bett zu hieven. Sie schien zentnerschwer zu sein. Erst da bemerkte er die schwere eiserne Kette, die an ihrem Fuà hing. Sam ging zu dem Mann hinüber und beugte sich vorsichtig über ihn. Vielleicht hatte er ja den Schlüssel zu Linas Fesseln in der Tasche? Der Tote starrte ihn mit offenen Augen an. Ein Auge war grün, eines blau. Nun hatte er ihn endlich gefunden, den Jungen mit den seltsamen Augen. Sam atmete tief durch und tastete in Konstantins Taschen nach einem Schlüssel, doch er fand nichts.
Wieder rief er nach Juri. Innerhalb von wenigen Sekunden stand dieser in der Tür. »Auftrag ausgeführt, der Kranken-«, Juri brach entsetzt ab und starrte paralysiert auf die beiden leblosen Körper.
»Du kannst gleich noch die Feuerwehr rufen. Das Ding hier müssen sie mit einem Bolzenschneider aufmachen.«
Juri zückte sein Handy, hatte aber im Keller keinen Empfang und rannte wieder nach oben.
Sam sah auf Lina herab, die leblos in seinem Arm lag. Mit ihren schwarzen Haaren und ihrem bleichen Gesicht erinnerte sie ihn an Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg. Sam wusste nicht, ob es helfen würde, aber er brachte Lina, so weit es die Kette zulieÃ, weg von dem beiÃenden Geruch der Säure und begann, sie zu beatmen und ihr Herz zu massieren.
Nachdem Lina vom Krankenwagen und der tote Konstantin vom Leichenwagen abgeholt worden waren, durchsuchten Sam und Juri das Haus. Sie brauchten nicht lange, um den Beweis zu finden, dass Konstantin Lange alias Lukas ihr Mörder war.
In der hintersten Ecke eines Schrankes fanden sie eine Originalausgabe des Hexenhammers von 1486: das Buch, das die Regeln für die Folter von angeblichen Hexen und Zauberern enthielt und das Abertausende von Menschen das Leben gekostet hatte.
Sam hielt das schwere, über fünfhundert Jahre alte Buch in der Hand, und trotz des grausamen Inhalts erfüllte ihn eine gewisse Ehrfurcht. Er setzte sich auf den Boden und betrachtete es von allen Seiten. Dabei fiel ihm auf, dass der hintere Teil leicht abstand. Mit einem Fingernagel löste er die letzte Seite vom Buchrücken, und zu seiner Ãberraschung hielt er plötzlich dicht beschriebenes Papier in der Hand. Darauf waren die Prozesse der Dominikanermönche, die sie in ihrem Kloster in Günterstal abgehalten hatten, genau protokolliert. Jede der acht Frauen war gefoltert worden und hatte schlieÃlich gestanden, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Sie alle waren mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bestraft worden. Das Rätsel um die verschwundenen Frauen bei Freiburg war gelöst. Unter einem alten abgegriffenen Stoffpinguin lag ein weiteres Buch. Sam schlug es auf, überflog die Seiten und klappte es wieder zu. Es bestätigte nur, was er geahnt hatte. Alle Frauen waren grausam gefoltert und dabei von ihrem Peiniger, Konstantin Lange, einem Verhör unterzogen worden. Glücklicherweise war kein ihm unbekanntes Opfer
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