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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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gibt Fische, die essen gern Menschen. Das macht die Sache gerecht. Hai, zum Beispiel. Feiern die Haie Heiligabend, Papa? Kriegen die vor den Geschenken kleine Mädchen zu essen?«
    Sie lachte.
    »Nicht nur Haie essen Menschen«, sagte Kristiane, wie üblich hatte sie keinen Sinn für den Humor ihrer kleinen Schwester.
    Wundersamerweise wirkte sie physisch ganz und gar unberührt von den Ereignissen des Samstags, ein leichter Schnupfen und eine verstopfte Nase waren alles. Welche Auswirkungen das Erlebnis auf ihre Psyche haben würde, war schwieriger zu beurteilen. Bisher hatte sie kein Wort dazu gesagt. Inger Johanne glaubte nur eine winzige Veränderung zu spüren, nämlich die, dass die Abstände, in denen Kristiane auswendig gelernte Texte aufsagte, seit der Hochzeit der Schwester größer geworden waren. Vier Tage war es nun her. Yngvar betrachtete alles wie immer aus einem positiven Blickwinkel, die Kleine befand sich in einer Phase, in der sie mehr Fragen stellte. Überlegte. Neugierig war, nicht nur wiederholte.
    »Sehr viele Fischarten ernähren sich auf komplizierte Weise«, sagte sie langsam und sah irgendetwas in weiter Ferne an. »Unter bestimmten Voraussetzungen nehmen sie auch Menschenfleisch, wenn die Gelegenheit sich bietet.«
    »Jetzt reden wir über etwas Netteres«, schlug die Großmutter vor. »Was wünscht ihr euch denn am meisten?«
    »Das weißt du, Oma. Du hast unsere Wunschzettel schon vor langer Zeit bekommen. Der Tote, den sie am Wochenende aus dem Hafenbecken gezogen haben, zum Beispiel, an dem Abend, als Mama so wütend auf mich war, weil ich …«
    Inger Johanne schaute flehend zu Yngvar hinüber.
    »Oma hat recht«, sagte sie rasch, als er ihren Blick nicht auffing. »Es ist der Heilige Abend, und da können wir über etwas …«
    »Der hatte schon ewig lange im Wasser gelegen«, sagte Kristiane und schluckte, ehe sie Kartoffelbrei auf ihre Gabel schob. »Das hat in der Zeitung gestanden. Und dann schwemmt man auf. Wird dick wie ein Ballon. Weil der Menschenkörper salzig ist und Wasser aus der Umgebung anzieht. Das wird Osmose genannt. Wenn zwei Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Osmolarität, also Salzbalance, durch eine halbdurchlässige Membran getrennt werden, zum Beispiel durch die Zellwände in einem Menschen, wird das Wasser hindurchsickern, zum Ausgleich für …«
    Die Großmutter war sichtlich blass geworden.
    Der Großvater glotzte, dann klappte er den Mund hörbar zu. »Dieses Kind«, sagte er und grinste. »Du bist ja vielleicht ein tüchtiges Mädchen.«
    »Das ist überaus beeindruckend«, sagte Yngvar ruhig und wischte sich mit einer riesigen weißen Stoffserviette den Mund ab. »Aber Oma und Mama haben ganz recht. Der Tod ist nicht gerade ein Thema für …«
    »Aber Yngvar«, fiel seine Stieftochter ihm ins Wort. »Bedeutet das, dass eine Leiche noch mehr zum Ballon wird, wenn sie in Süßwasser liegt?«
    »Was ist eine Leiche, Mama?«
    Ragnhild hatte den Fischkopf vom Teller ihres Vaters genommen. Jetzt stülpte sie ihn sich über die Nase und schaute durch die leeren Augenhöhlen.
    »Wuäää«, brummte sie und lachte. »Was ist eine Leiche?«
    »Eine Leiche ist ein toter Mensch«, sagte Kristiane. »Und wenn tote Menschen ganz lange im Meer liegen, werden sie angefressen. Von Krebsen und Fischen.«
    »Und Haien«, fügte ihre kleine Schwester hinzu. »Vor allem von Haien.«
    »War die Leiche denn angefressen?«, fragte der Großvater mit deutlichem Interesse. »Darüber hat in der Zeitung nichts gestanden. Hast du den Fall? Lass mal hören, Yngvar. Wenn ich Aftenposten heute richtig verstanden habe, wissen sie noch nicht, wer es ist.«
    »Nein, das ist ein Osloer Fall, ich weiß auch nur, was in der Zeitung gestanden hat. Du weißt doch, ich bin bei der Kripo.«
    Er bedachte seinen Schwiegervater mit einem bemühten Lächeln. »Wir unterstützen den Polizeibezirk Oslo meistens nur mit technischen Dingen. Und bei Fahndungen. Internationaler Zusammenarbeit. Solchen Dingen, wie ich ja schon oft gesagt habe. Und jetzt wechseln wir das Thema. Okay?«
    Yngvar erhob sich energisch und fing an, den Tisch abzuräumen. Es wurde still in der Runde. Nur das Klappern von Geschirr und Besteck, die in die Spülmaschine sortiert wurden, mischte sich mit den Stimmen des Knabenchors aus dem Fernsehen der Wohnung unter ihnen. Inger Johanne ertappte sich dabei, dass sie sich vor den Fischresten ekelte, die sie von den Tellern in den Mülleimer kratzte.
    Sie hatte die

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