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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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drehte sich zu der Stimme um. »Ja?«, fragte sie leise.
    Etwas war mit seiner Stimme, etwas Fremdes. Hart, vielleicht. Anders, jedenfalls.
    »Wer sind Sie? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    Als er sie mit dem Messer traf, wusste sie, dass sie sich geirrt hatte. In den sechzehn Sekunden zwischen dem Augenblick, in dem sie erkannte, dass sie sterben würde, und dem, in dem sie nicht mehr lebte, leistete sie keinerlei Widerstand. Sie sagte nichts und fiel zu Boden, den Fremden über sich, den Mann mit dem Messer, er ging sie nichts an. Sie war es, die sich geirrt hatte. In so vielen Jahren hatte sie geglaubt, Jesus auf ihrer Seite zu haben. In ihrem eitlen Glauben daran, Er habe vergeben und zugestimmt, hatte sie mit einer Lüge gelebt, die zu groß war, um damit weiterzuleben.
    Und im Augenblick des Todes, als es nichts mehr zu sehen gab und alle Empfindungen verschwanden, fragte sie sich, was Er, der mit dem Ewigen Leben, nicht hingenommen hatte, die Lüge oder die Sünde.
    Es kommt wohl auf dasselbe heraus, dachte sie.
    Und starb.
    »Das Jesuskind kann doch keine 2008 Jahre alt sein«, sagte Ragnhild und gähnte. »Niemand lebt ewig!«
    »Nein«, sagte Yngvar. »Jesus ist sogar ziemlich jung gestorben. Wir feiern Weihnachten, weil er zu Weihnachten geboren wurde.«
    »Dann müssten wir Luftballons haben. Ohne Luftballons ist doch nicht richtig Geburtstag. Glaubst du, das Jesuskind hat gern welche?«
    »So was gab es in alten Zeiten sicher nicht. Aber jetzt musst du schlafen, meine Süße. Es ist gleich eins. Eigentlich ist schon der erste Weihnachtstag.«
    »Gewonnen«, jubelte Ragnhild. »Ist jetzt schon später als elf?«
    Yngvar nickte und wickelte das Kind zum dritten Mal seit zwei Stunden in die Decke. »Jetzt musst du schlafen.«
    »Warum ist eins später als elf, wenn eins doch eine kleine Zahl ist und elf eine große? Kann ich zu Silvester auch so lange aufbleiben?«
    »Das werden wir sehen. Jetzt musst du schlafen.«
    Er küsste sie auf die Nase und ging zur Tür.
    »Du, Papa…«
    »Du musst schlafen. Papa wird böse, wenn du jetzt nicht liegen bleibst. Ist das klar?«
    Er berührte den Lichtschalter, und das Zimmer lag im rötlichen Lichtschein einer Kette aus kleinen Leuchtherzen, die sich um ein Fenster zog.
    »Aber Papa, nur eins doch …«
    »Was denn noch?«
    »Das ist eigentlich ein bisschen blöd, dass Kristiane das schöne Mikroskop bekommen hat. Sie macht es ja doch bloß kaputt.«
    »Vielleicht. Aber sie hat es sich gewünscht.«
    »Warum hab ich kein Mikro …«
    »Ragnhild. Jetzt werde ich wirklich böse. Jetzt legst du dich sofort …«
    Das Rascheln der Decke brachte ihn zum Verstummen.
    »Gute Nacht, Papa. Hab dich lieb.«
    Yngvar lächelte und zog die Tür zu. »Ich dich auch. Bis morgen.«
    Er schlich durch den Gang. Kristiane schlief schon lange, konnte aber davon geweckt werden, dass eine Hühnerfeder zu Boden fiel. Als er an ihrer Tür vorbeikam, hielt er den Atem an. Dann fuhr er zusammen.
    Telefon? Um ein Uhr nachts am Heiligen Abend?
    Mit zwei Sprüngen hatte er die Wohnzimmertür erreicht, um dem Lärm so schnell wie möglich ein Ende zu machen. Inger Johanne war ihm glücklicherweise zuvorgekommen. Sie stand vor dem Weihnachtsbaum und redete leise. Der Baum war in kläglichem Zustand, da Jack, Kristianes gelbbrauner Köter, durchgedreht war und ihn umgestoßen hatte. Die Schwiegermutter hatte ein eingepacktes Kotelett unter die Geschenke gelegt, weshalb man dem Hund kaum einen Vorwurf machen konnte.
    »Hier ist er«, hörte er Inger Johanne sagen, ehe sie ihm das Telefon reichte.
    Sie machte das resignierte Gesicht, bei dem er immer einen Stich im Zwerchfell verspürte. Wie um Entschuldigung zu bitten, hob er die Hand, ehe er zum Hörer griff.
    »Stubø hier.«
    Inger Johanne lief planlos im Zimmer hin und her. Hob hier ein Spielzeug hoch, dort ein Buch. Legte sie an einen Platz, an den sie auch nicht gehörten. Verschob einen Christstern und verkrümelte dabei Blumenerde auf der Tischdecke. Dann schlenderte sie zur Küche, brachte es aber nicht über sich, die Spülmaschine zu leeren, um den nächsten Turm aus schmutzigem Geschirr hineinzustellen. Sie war erschöpft und beschloss, lieber den letzten Rest aus der Rotweinflasche zu trinken, die ihre Schwester ihr geschenkt hatte. Nach Aussage der Mutter hatte die über dreitausend Kronen gekostet, was Yngvar dermaßen empörte, dass er sein Glas aus einem Karton mit italienischem Billigwein gefüllt hatte.
    »Na

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