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Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition)

Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gottfried Benn - der Mann ohne Gedächtnis: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Hof
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Kriegsverdienstordens zweiter Klasse verholfen und eine Stellung in Landsberg verschafft hatte, sowie der Obergefreite Walter Paulat, ebenfalls Fachmann im Organisieren
wichtigster
Dinge, aber auch zum Reparieren der Rollos eingesetzt. Ein gewisser Göbel war Obstlieferant, Himmelsbach für Radio und Telefon zuständig und der Tabakwarenhändler Guido Königsberger für die Zigaretten. Bereits Mitte Februar hatte Benn an das Wehrversorgungsgruppenamt eine Erneuerung seiner Krankmeldung geschickt und beim Quartiersamt die Erlaubnis eingeholt, in seiner Wohnung wieder zu praktizieren.
    Gegenüber Oelze fasste Benn die Ereignisse jener bitterkalten Tage, in denen es Schnee, Staub und Schmutz regnete, zusammen:
     
Berlin! Eine fahle Trümmerstadt am Rande der Hungersnot. Und wenn die Schlacht um Berlin beginnt, was jeden Tag bevorsteht u. schneller als die Meisten ahnen, wird Schluss sein: die Russen mit Artillerie u. die andern von oben pausenlos 48 Stunden, u. dannwird alles befriedigt sein, die einen von der heroischen Verteidigung u die andern von der ebenfalls heroischen Eroberung. Meine Dienststelle versucht herauszukommen, findet aber kein Unterkommen. Mit Gen. Kdo. haben wir nichts zu tun, direkt mit OKW, aber das ändert auch nichts.
Wir schlafen auf einem Strohsack, da unser Schlafzimmer in L.aW. steht. Täglich etwa 7 –8 Stunden Lichtsperre, also im Dunkeln, da die Fenster fehlen u. vernagelt sind; 3–4 mal Alarm; wir sehn alt u. grau aus u. leben von trockenem Brod – der Lebensabend, wie er im Buche steht. 65
     
    »Und manchmal ist eine Frühlingsstimmung in der Luft, als ob Veilchen und Liebe dazugehörten …«, 66 heißt es überraschend im selben Brief.
Als ob Veilchen und Liebe dazugehörten.
Die Liebe zu Herta, wenn es je eine gab, war erloschen. Im Kalender wird sie ignoriert oder, wenn ihr Name auftaucht, gedemütigt. Anfang März, nach sechs Wochen, notierte der Haushaltsvorstand und Ehemann: »H. plättet«. 67 Das letzte Mal, dass er ihren Namen erwähnt hatte, war an ihrem Geburtstag, am 2. Februar, als sie gemeinsam bei Dramburg zum Essen waren. Wenn der Eindruck nicht täuscht, ging Hertas Evakuierung nach Neuhaus an der Elbe am 5. April eine manifeste Ehekrise voraus.
    Am 9. März fuhr der aus Neuhaus stammende Hans Wagner in seine Heimatstadt. Er war es, der den Benns riet, in das von Briten besetzte Städtchen zu gehen, wo es ein »par leerstehende Katen« 68 gebe. Kurz darauf kündigte Benn an:
     
Sollte ich hingelangen, würde ich dort noch einen Schluss zu dem Essayband schreiben: »Willkommen den literarischen Emigranten«, Bezug nehmend auf jenen »Offenen Brief an die l. E«, 1933. Ich würde sagen, dass ich meine damaligen Positionen im wesentlichen aufrecht erhalte u. dass ich auch rückblickend das Bleiben in Deutschland für das Richtigere halte. »Der Untergang eines Volkes, selbst wenn es sich um das [deutsche] handelt, ist eine ernsteSache, die sich nicht mit literarischen Arabesken von Miami aus, auch nicht mit einem an sich gerechtfertigten Hass abtun lässt, hier handelt es sich um Kern- und Substanzfragen – tua res agitur!« 69
     
    Einen direkten Hinweis darauf, dass Benn mit seiner Dienststelle nach Neuhaus gehen sollte, gibt es nicht. »Packen!« 70 lautete der Eintrag am nächsten Tag, doch mit der Übersiedlung des Ehepaares wurde es aus unbekannten Gründen nichts. Bis zu Hertas endgültiger Abreise dauerte es noch einen Monat: »Schön Wetter. Packen / … / H. ab Lehrter Bahnhof 3 52 . … / Anruf Freese, dass seine Frau fort.« 71 Sie war zu diesem Zeitpunkt also nicht die Einzige, die von ihrem Mann aus Berlin evakuiert wurde. Was Benn beim Abschiednehmen am Lehrter Bahnhof nicht wusste, war, dass er seine Frau nicht mehr lebend wiedersehen würde.
     
Ich bleibe noch hier, … werde versuchen, nachzukommen. Die Angriffe hier sind unerträglich.
Die lit. E. werde ich wohl nicht mehr begrüssen. Es ist alles so belanglos, ob sie kommen, was sie denken, wie sie urteilen. 72
     
    Eigentlich hatte er darstellen wollen, warum das Bleiben in Deutschland das Richtigere gewesen sei. Denkbar ist auch, dass Benn in Berlin bleiben wollte, im Zentrum des Geschehens, aus dem heraus die Lage zu beurteilen er für unverzichtbar hielt. Genauso gut vorstellbar ist aber auch, dass ihn die Angst, als Deserteur erschossen zu werden, davon abgebracht hat, mit Herta zusammen die Stadt zu verlassen. Sie wechselten noch wenige Briefe, die meist Hans Wagner beförderte. Dann riss

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