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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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schätzte, wollte ihreine Aufmerksamkeit erweisen. Er wußte, wie sehr sie sich aus Madrid fortsehnte. Nun mußte freilich aus bestimmten Gründen ihre Niederkunft in Madrid stattfinden. Aber vorläufig mochte Doña Teresa ruhig zwei, drei Wochen in der Stille ihres Landschlosses Arenas de San Pedro verleben, das sie so sehr liebte.
    Ferner – auch das wird sie freuen – mußte ihm Francisco endlich die Infantin malen.
    Francisco ging nicht ungern nach Arenas; der Name dieses Ortes weckte ihm gute Erinnerungen.
    Auf Empfehlung des Jovellanos hatte seinerzeit, als Francisco noch unbekannt und gering war, Doña Teresas Vater, der alte Infant Don Luis, ihn nach Arenas kommen lassen, damit er dort ihn und seine Familie porträtiere. Es hatte Goya tiefen Eindruck gemacht, es hatte seine Anschauungen von der Welt umgestoßen, daß dieser Prinz von Geblüt, der Bruder des Königs, nicht mehr von sich hermachte als jeder Pablo oder Pedro in Madrid und Saragossa. Einen ganzen Monat war Francisco damals in Arenas geblieben, und der Infant Luis und seine Familie hatten ihn behandelt wie ihresgleichen. Während jener glücklichen Zeit in Arenas hatte er Doña Teresa kennengelernt und gemalt, sie war ein kleines Kind gewesen, ein scheues Kind, doch zu ihm hatte sie Zutrauen gehabt.
    Jetzt noch viel besser als damals verstand Goya, was für ein weiser, warmherziger Mann der Infant gewesen war. Er hätte, Don Luis, nach bourbonischem Erbrecht Anspruch auf die Krone gehabt, aber er hatte darauf verzichtet, um eine nicht ebenbürtige Frau heiraten zu können, die Dame Vallabriga aus Aragón. Er zog es vor, auf seinem Gute Arenas zu leben, mit der Frau, die er liebte, und den Kindern, die sie ihm gebar, und sich der Landwirtschaft zu widmen und der Jagd, seinen Bildern und seinen Büchern. Im Grunde hatte ihn Goya für leicht verrückt gehalten. Jetzt begriff er ihn besser, wiewohl er selber an seiner Stelle, auch heute, nicht verzichtet hätte.
    Er hatte dann Doña Teresa ein zweites Mal gemalt, damals war sie siebzehn gewesen und ihre Eltern längst gestorben. Sie war die rechte Tochter dieser Eltern, zufrieden mit ihrem Leben in der Stille, fern von dem schrillen, lächerlichen Pomp des Hofes. Und nun hatte die zuchtlose María Luisa dieses liebenswerte, harmlose Kind dem wüsten, pöbelhaften Manuel zugespielt als Preis dafür, daß der auch weiterhin zuweilen in ihr Bett kroch. Und Manuel nahm Doña Teresa hin als lästige Beigabe zu einem begehrten Titel, den er anders als durch sie nicht hätte bekommen können.
    Seitdem Francisco selber tief hinabgetaucht war ins Unglück, verstand er sich besser auf das Unglück anderer. Er sah ihre traurige Schwangerschaft. Er sah, wie tief Doña Teresa litt unter der anstößigen Albernheit der Situation, in die sie hineingerissen worden war und die ihr ganzes Wesen beleidigte. Und er malte mit höchster Sorgfalt und Delikatesse. Malte all sein Mitgefühl mit der Tochter seines Gönners in ihr Porträt.
    Es entstand ein überaus zartes Bild. Da sitzt die kleine Prinzessin. Der kindhafte, gebrechliche, schwangere Leib ist gehüllt in ein weißes, duftiges, unter der Brust gebundenes Kleid, Hals und Büste kommen zart aus dem Kleide heraus, und darüber, unter einer Fülle blonden Haares, hebt sich länglich, nicht schön, doch anziehend das Gesicht. Das ganze verstörte Gemüt des schwangeren Kindes wird sichtbar in diesem Antlitz; große, traurige, bestürzte Augen schauen in eine Welt, deren Scheußlichkeit sie nicht begreifen.
    Don Manuel, als er das Porträt sah, war verblüfft; er hatte gar nicht gewußt, wie rührend zart seine Infantin ausschaute. Ein beinahe frommes Gefühl, auch das einer leisen Schuld, überkam ihn, und lärmend rief er: »Por la vida del demonio! Da hast du mir die Infantin so gemalt, Francisco, daß ich mich schließlich noch in sie verlieben werde.«
    Allein Don Manuel war nicht gekommen, um das Porträt Doña Teresas zu besichtigen, sondern um sie nach Madrid zurückzuholen. Sein Kind mußte in Madrid geboren werden.Der Hof sollte teilnehmen an der Taufe des Kindes. Beide wollten sie, Doña María Luisa und Don Manuel, der Welt zeigen, daß sie wieder versöhnt waren.
    Am 15. Oktober langte ein Sonderkurier Don Manuels im Escorial an und teilte der Königin mit, daß die Infantin einer gesunden Tochter genesen sei. Doña María Luisa begab sich sogleich zu Don Carlos und verlangte, daß der Hof den Aufenthalt im Escorial unterbreche, damit die Taufe der

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