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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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geheime Pläne seines Bruders mit mir erörtert«, antwortete er, »scheint allerdings ein Vertrauensbeweis, den man nicht einem jeden gibt. Aber vielleicht, Madame, fragen Sie den Botschafter Bonaparte geradezu«, fuhr er frech fort. »Du willst also mit allen Mitteln wieder Erster Minister werden, Manuelito«, sagte träumerisch und süß die Königin, »auf dem Umweg über den General Bonaparte willst du es werden.« – »Sie sind ganz und gar im Irrtum, Madame«, erklärte freundlich Don Manuel. »Wie die Dinge heute liegen, könnte ich das Amt des Ersten Ministers nicht wieder übernehmen. Sooft Sie meinen Rat einforderten, würde ich an die Schmach denken müssen, die mir Ihre Hand zugefügt hat.« – »Ich weiß«, sagte die Königin, »du bist sehr feinfühlig. Was willst du mir denn schon wieder abpressen, Chico, mein Kleiner?« – »Sie müssen es verstehen, Majestät«, erklärte Don Manuel, »daß ich nicht ins Amt zurückkehren kann, ohne Genugtuung zu verlangen.« – »Mach schon endlich deinen unverschämten Mund auf«, antwortete María Luisa, »und sag es, was du dafür haben willst, daß meine Tochter Königin von Etrurien wird.« – »Ich bitte ehrerbietig darum«, erwiderte Don Manuel und ließ seinen dunkeln Tenor klingen, »daß Eure Majestät die Gräfin Castillofiel unter die Zahl Ihrer Hofdamen aufnehme.« – »Du bist gemein«, sagte María Luisa. »Ich bin ehrgeizig«, korrigierte sie der Infant Manuel, »für mich und für diejenigen, die mir nahestehen.«
    Als Pepa durch eine schriftliche Mitteilung des Marqués de Ariza, Ersten Königlichen Kämmerers, im Namen der Majestäten aufgefordert wurde, sich am Geburtstag des Königszum Besamanos, zum Handkuß, im Escorial einzufinden, strahlte sie übers ganze Gesicht. Mit zunehmender Schwangerschaft fühlte sie sich zunehmend zufrieden. Daß sie bei Hofe an einem der acht großen Galatage eingeführt werden sollte, war ein neuer, wunderbarer Glücksfall. Manuel wird da sein, alle werden da sein, der ganze Hof. Auch Francho wird da sein; am Geburtstag des Königs darf der Erste Maler nicht fehlen. Und sie wird der Königin gegenüberstehen, man wird vergleichen, alle werden sie vergleichen, der ganze Hof, auch Manuel, auch Francho.
    Mit Freude und Eifer traf sie Vorbereitungen. Zunächst einmal mußte ein Sonderkurier nach Málaga abgehen, um den alten Trottel, ihren Gemahl, den Grafen, nach Madrid zu schleppen, denn der durfte bei ihrer Vorstellung nicht fehlen. Er wird Schwierigkeiten machen, es wird ein paar tausend Realen kosten, aber das ist die Sache wert. Es war gut, daß soeben aus Paris, aus dem Atelier Mademoiselle Odettes, das neue, grüne Abendkleid eingetroffen war, das Lucía ihr besorgt hatte. Sie wird es um die Taille weiter machen lassen, dann wird es ihr gerade bei ihrer Schwangerschaft besonders gut stehen. Lange beriet sie mit Mademoiselle Lisette von der Puerta Cerrada über die Änderungen. Des weiteren studierte sie unermüdlich im »Handbuch des Zeremoniells«. Das Buch enthielt dreiundachtzig Seiten großen Formates; es wurde nicht öffentlich verkauft, sondern nur vom Hofmarschallamt vergeben an Persönlichkeiten, die bei Hofe zugelassen waren.
    Großartig, am Tage des Empfangs, fuhr sie an der Seite ihres wackeligen Grafen am Hauptportal des Schlosses vor. Diesmal betrat sie den Escorial nicht durch eine Hintertür, sondern auf Einladung des Hausherrn. Durch die Säle und Korridore schritt sie, die erbaut waren über den Gräbern der toten Könige, vorbei an präsentierenden Garden und feierlichen, tief sich neigenden Lakaien; denn an den acht großen Galatagen war der ganze Haushalt des Königs aufgeboten, die Wallonische und die Schweizer Garde sowie die gesamte hohe und niedere Dienerschaft, 1874 Mann.
    Pepa wurde in Empfang genommen von der Camarera Mayor, der Marquesa de Monte Alegre, der die Aufgabe oblag, die Damen vorzubereiten, welche den Majestäten vorgestellt werden sollten. Heute waren es neunzehn Damen, die meisten sehr jung. Alle schienen sie aufgeregt vor der Aufgabe, die vor ihnen stand, die einzige völlig gelassene war die Gräfin Castillofiel; sie hatte, als sie für die Bühne studierte, viel schwierigere Rollen bewältigen müssen.
    Als die Camarera Mayor mit ihrer kleinen Herde im Thronsaal erschien, waren bereits die Granden, die Prälaten und die Botschafter versammelt. Das Gesindel der niedrigeren Adeligen und der hohen Hofbeamten nahm die Seiten des großen Saales ein und die

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