Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Galerien. Pepas Eintritt erregte Aufsehen. Unverlegen schaute sie sich um, nach Bekannten suchend. Viele grüßten sie feierlich, sie erwiderte gelassen fröhlich mit freundlich leichtem Kopfnicken. Auf der Galerie entdeckte sie Francisco, sie winkte ihm lebhaft zu.
Kleine Trompeten ertönten vom Vorsaal, Kommandorufe, die Hellebarden der Wachehabenden klirrten auf. Dann klopfte der Zweite Mayordomo dreimal mit seinem Stock und verkündete: »Los Reyes Católicos.« Und jetzt, zwischen tief sich Neigenden, hielt das Katholische Königspaar seinen Einzug, hinter ihm die Mitglieder der königlichen Familie, darunter der Infant Manuel mit seiner Infantin. Die Majestäten ließen sich auf ihren Thronsitzen nieder. Der Mayordomo Mayor meldete, die Granden des Reiches hätten sich versammelt, um dem Katholischen König zu diesem glücklichen Tag die Wünsche des Adels zu überbringen. »Möge die Heiligste Jungfrau dem Katholischen König ein langes Leben verleihen zum Heile Spaniens und der Welt!« rief er. Alle wiederholten den Ruf, Trompeten ertönten überall im Schloß, die Glocken der großen Kirche begannen zu läuten.
Während der feierliche Lärm gedämpft in den riesigen, prunkvoll düstern Saal hereinklang, näherten sich zunächst die zwölf Granden der Ersten Reihe mit ihren Frauen dem Königspaar zum Besamanos, zum Handkuß. Dann beganndie Vorstellung der neunzehn Damen, sie waren dem Range nach geordnet, die Gräfin Castillofiel war die siebente. Als der Marqués de Ariza Pepas Namen ausrief und der Marqués de la Vega Inclán ihn wiederholte, ging trotz aller Gehaltenheit der Versammlung eine Bewegung der Spannung und Neugier durch den Saal. Der Erste Kämmerer führte Pepa dem König zu; Carlos, als sie ihm die Hand küßte, konnte ein leichtes, väterlich verschmitztes Schmunzeln nicht unterdrücken.
Die Gräfin Castillofiel trat vor María Luisa. Dies war die Minute, auf die alle gewartet hatten. Da war Don Manuel Godoy, der Infant, der Príncipe de la Paz, der Mann, von dessen Einfluß auf die Königin und auf die Geschicke Spaniens alle Kanzleien Europas mit Aufmerksamkeit, Hoffnung oder Besorgnis sprachen, der Mann, von dessen Liebesabenteuern die ganze Welt erzählte mit Abscheu oder mit Augenzwinkern. Und da standen seine beiden Bettfreundinnen einander gegenüber, die Monarchin, die nicht von ihm, und die Frau aus dem Volke, von der er nicht loskam, und Don Manuels legitime Frau schaute zu, und Doña María Luisas legitimer Mann schaute zu, und Pepa Tudós legitimer Mann schaute zu.
María Luisa saß da, angetan mit der Königsrobe aus schwerem Damast, übersät mit Juwelen, das Diadem auf dem Haupt, ein Götzenbild. Pepa Tudó stand vor ihr, anmutig in ihrer Fülle, reif und blühend jung, strahlend weiß die Haut unter dem rotblonden Haar, gelassen sicher ihrer Schönheit. Sie ging in die Knie, wegen ihrer Schwangerschaft nicht ganz so tief, wie es Vorschrift war, küßte Doña María Luisas Hand, tauchte wieder hoch. Die Frauen schauten einander in die Augen. Die kleinen, scharfen, schwarzen Augen der Königin musterten die Vorgestellte, gleichgültig höflich, wie es angebracht war. In ihr war Sturm. Die Person war schöner, als sie gedacht hatte, wohl auch gescheiter, die Person war unbesiegbar. Pepas Augen aber strahlten; gelassen kostete sie es aus, sich der machtlos Mächtigen vorzuführen. Zwei Sekunden, wie es Vorschrift war, schaute die Gräfin Castillofiel derKönigin ins Gesicht. Dann wandte sie sich dem hohen Stuhl des Prinzen von Asturien zu, des Thronfolgers.
Goya stand auf der Galerie, er konnte die Gesichter der beiden Frauen gut sehen. Er lächelte. »Das Huhn gehört nicht in die Kathedrale«, aber jetzt gehörte sie in die Kathedrale, die Pepa, seine Jamona, sie hatte es geschafft. Sie war eine Señora de Título, sie hatte ihren verbrieften Adelstitel, das Kind, das sie im Leibe trug, wird ein geborener Conde sein.
Nach der Tafel nahm Pepa teil an der Kartenpartie der Königin. Doña María Luisa richtete freundlich gleichgültige Worte bald an diesen, bald an jenen. Pepa wartete darauf, daß sie auch sie anspreche. Sie wartete lange. »Gewinnen Sie, Gräfin?« fragte schließlich mit ihrer klangvollen, nicht unangenehmen Stimme Doña María Luisa. Sie hatte beschlossen, die Person freundschaftlich zu behandeln, es war das klügste. »Nicht sehr, Madame«, antwortete Pepa. »Wie ist doch Ihr Vorname, Gräfin?« fragte die Königin. »Josefa«, antwortete Pepa, »María
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