Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Gigante, grünlichbraun und
Schwärzlichfahl und dennoch schillernd,
Mit dem winz’gen Menschlein in dem
Grauenhaften Maul. Allein der
Schatten wird Leib sein, wird leben.
Aus dem Dunkel wird Francisco
Goya seinen Riesen an den
Tag ziehn, der kein Tag sein durfte,
In das fahle Licht. Er mußte
An die Wand, sein Riese!
Auf stand
Goya. Sagte sich: Ins Grab die
Toten, die Lebendigen zu
Tische! Und er saß zu Tisch. Er
Hatte alle Zähne noch im
Munde, und sein Appetit war
Ausgezeichnet.
Agustín kam.
Sah den Freund im Arbeitskittel,
War verwundert. Goya, schmunzelnd,
Wild vergnügt, erklärte: »Ja, jetzt
Mal ich wieder. Etwas Neues
Male ich. Ich kann die kahlen
Wände nicht mehr sehn. Ich mal mir
Etwas an die Wand. Was Würz’ges,
Das den Appetit schärft. Morgen
Fang ich an zu malen.«
Zu diesem Band
Fasziniert von den Radierungen Goyas im Pariser Louvre, reisten Lion und Marta Feuchtwanger nach Madrid, »um in den Prado zu gehen, in dem sich die meisten Goya-Gemälde und auch seine Radierungen befinden. Dort faßte Lion den Entschluß, seinen Goya-Roman zu schreiben.« (Marta Feuchtwanger, »Nur eine Frau«, Berlin 1984.) Das war 1926.
Zwei Jahre später, bei der Niederschrift seines Romans »Erfolg«, läßt Feuchtwanger den Subdirektor der Münchner Gemäldesammlungen, Martin Krüger, im Gefängnis jenes Prado-Erlebnis nachvollziehen. Krüger erinnert sich der Säle und Kabinette, »der schadhaften Parkettfliese, die unter ihm geknarrt hatte, als er das Bild beschaute der königlichen Familie mit den toten, spukhaften Stecknadelknopfaugen. Er versuchte, mechanisch nachzuziehen die sonderbaren Inschriften, die der Spanier unter seine Zeichnungen gesetzt hatte.«
Schon einmal, in einem Frühwerk Feuchtwangers, war ein Maler Mittelpunktfigur. Das Drama »Julia Farnese« von 1919, »darstellend einen Maler der Renaissance, der keine Bedenken trägt, einen jungen Schüler in Wirklichkeit zu kreuzigen, um ein naturalistisches Modell zu einem Kruzifixus zu haben, und eine überaus dämonische Dame aus der Gesellschaft der Borgia« (»Selbstdarstellung«, 1933), erinnert noch stark an die l’art-pour-l’art-Phase seines ersten Romans »Der tönerne Gott«. Maler, Gemälde und Skulpturen spielen in Feuchtwangers Werk eine nicht unerhebliche Rolle. Der Wunsch, ein bestimmtes Bild zu besitzen und an einem attraktiven Platz im Hause auffällig zu plazieren, wird oft zur Schlüsselszene, die schlaglichtartig einen Charakterzug derAkteure erhellt (»Die Geschwister Oppermann«, »Die Brüder Lautensack«, »Die Füchse im Weinberg«).
Gleiches gilt für die Art der Darstellung im Porträt: Franklins Wesenheit, von Feuchtwanger nuanciert beschrieben, wird noch einmal punktuell sichtbar durch die Zeichnungen, die in Umlauf gebracht werden, durch das Gemälde des Malers Duplessis, durch das man erst erkennt, »was für ein Mann er ist«. Die Münchner Kunstszene ist in dem Roman »Erfolg« mehrfach präsent: Die Maler Franz Landholzer und Andreas Greiderer und die Malerin Elisabeth Haider erregen durch die – sehr unterschiedliche – Art der Darstellung menschlichen Leidens, hervorgerufen durch zeitlose oder konkret zeitbedingte Determiniertheit, Anstoß sowohl bei den Kleinbürgern wie bei den Großkopfigen. Die Hauptfigur des Romans bzw. die, an deren Schicksal die »drei Jahre Geschichte einer Provinz« sinnfällig gemacht werden, Dr. Martin Krüger, ist Kunstwissenschaftler und verfaßt während seiner Gefängnishaft eine Studie über den spanischen Maler Francisco de Goya. – Nicht zu übersehen: Feuchtwanger hat sich zu dieser Zeit bereits intensiv mit Goya beschäftigt. Es deutet sich im Detail manches von dem an, was später in seinem Goya-Buch sein wird. Nicht nur so Naheliegendes wie das Aufrührerische der Caprichos. Martin Krüger schildert Goya als lebensgierigen, heftigen Mann, der »gut kannte die Schrecken der Kirche, des Krieges und der Justiz«. Und Goya wird Krüger zum Trumpf, den er gegen seinen marxistischen Freund Kaspar Pröckl und seine Vorwürfe ausspielt, Krüger sei nichts weiter als ein Kunstgenüßling, der nicht zu den wirklichen Problemen vordringe. (Ein Tadel, der Feuchtwanger später selber mehrfach zuteil wurde und den er auch für seinen Goya-Roman erwartete.) Goya sei gewiß ein Revolutionär gewesen, hält Krüger Kaspar Pröckl vor, »aber gerade weil er, mehr als die anderen, Mitleid und Genuß gespürt habe. Nichts sei an ihm gewesen von dem Puritanismus
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