Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
der heutigen Kommunisten und von ihrer armseligen verlogenen Talmiwissenschaft.«
Zweiundzwanzig Jahre, zehn Romane, vier Theaterstücke und mehrere Erzählungen liegen zwischen der Idee und ihrer Realisierung. Einmal während dieser langen Zeit beschäftigte sich Feuchtwanger ernsthaft mit dem Goya-Projekt. Nach Abschluß seines Romans »Die Brüder Lautensack« schreibt er am 6. Januar 1943 an Arnold Zweig, er könne jetzt in Ruhe an den Goya-Roman gehen, der ihn mindestens eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen werde. Daß er mit den »Vorarbeiten zu einem großen Roman über Goya« beschäftigt sei, teilt er auch Kantorowicz am 21. Januar 1943 mit. Es bleibt zunächst bei den Recherchen. In dieser Zeit arbeitet er zusammen mit Brecht an dem Stück »Die Gesichte der Simone Machard«, schreibt anschließend seinen Roman »Simone«, und danach, als es ihm endlich gelungen ist, Zugang zu dem Amerikaner Benjamin Franklin zu finden, greift er sein jahrzehntealtes Projekt »Waffen für Amerika« (»Die Füchse im Weinberg«) auf und vollendet den Roman 1946. Erst 1948 ist in Briefen an Zweig, an Brecht und andere wieder die Rede davon, daß er mitten in der Arbeit am »Goya« stecke. Aber schon im Juli ist ihm anderes wichtiger. »Ich … schreibe an einem zweiten Stück«, heißt es in dem Brief vom 10. Juli an Arnold Zweig (gemeint ist »Die Witwe Capet«). »Das ist leichtsinnig, aber es macht Spaß.« Und im August nehmen ihn Vorarbeiten für die Uraufführung seines Schauspiels »Wahn oder Der Teufel in Boston« in Anspruch. Ende des Jahres dann »geht die Arbeit gut voran«; er rechnet fest damit, daß das Buch in einem Jahr erscheinen wird und er dann ernstlich daran denken kann, nach Europa zu gehen. Von da an arbeitet er konzentriert und offenbar mit großem Enthusiasmus an dem Roman: »Im übrigen waren an diesem Geburtstag« – es war sein 65. – »die besten Stunden die paar, die ich am ›Goya‹ arbeiten konnte«, berichtet er am 26. Juli 1949 Arnold Zweig.
Die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse in Amerika lassen Feuchtwanger nicht ungeschoren. »Meine Situation hier ist reichlich unsicher, wirtschaftlich und, wie soll ichsagen, staatsbürgerlich«, teilt er am 28. September 1949 Arnold Zweig mit. »Die Verleger werden immer zurückhaltender, die Buchklubs verlieren Mitglieder, und der Film stagniert völlig.« Und an Brecht schreibt er: »Ringsum, vor allem in Literatur- und Filmkreisen, herrscht Heulen und Zähneklappern.« Das hat zu tun mit der »mehr als undurchsichtigen« ökonomischen Situation in den USA, es hat aber auch zu tun mit den Repressalien der McCarthy-Zeit, die Feuchtwanger vor allem wegen seiner Freundschaft mit linken Autoren und seiner früheren Veröffentlichungen über die Sowjetunion zu spüren bekommt. Es sind die Praktiken der Inquisition, die er im »Goya« ausführlich und bedrückend beschreibt.
In der Mitte des Jahres 1950 ist der Roman abgeschlossen. Feuchtwangers amerikanischer Verleger Benjamin Huebsch teilt ihm am 5. Juni mit, daß die Schlußseiten des »Goya« dazu beigetragen hätten, sein Wochenende »erfreulich und gänzlich befriedigend« zu gestalten. »Die Szene, in der die Königin die Caprichos in Augenschein nimmt, stellt einen wirkungsvollen Höhepunkt dar. All die großen Fragen, die in dem Buch behandelt werden, sind angemessen gelöst – die Liebesbeziehungen, der Friedensvertrag, das angedrohte Vorgehen der Inquisition –, und obgleich der Schluß normal und logisch ist, läßt er doch den Weg offen für eine neue und unabhängige Weiterführung in Gestalt einer Fortsetzung, wann immer Sie bereit sein mögen, diese in Angriff zu nehmen.«
»Goya«, obwohl der Titel darauf schließen läßt, ist keine Biographie, sondern ein historischer Roman, der Feuchtwangers Intentionen von diesem Genre, mehrfach in Aufsätzen von ihm dargestellt, entspricht: historisches Gewand als Distanzierungsmittel, um das eigene Lebensgefühl, die eigene Zeit, das Weltbild möglichst treu wiedergeben zu können. Er hält sich deshalb auch nicht streng an biographische und historische Daten, er drängt zusammen, verschiebt die Abfolge der biographischen und zeitgeschichtlichen Ereignisse so, daß sie seinem Zweck entsprechen. Und dieser war »darzutun,wieviel zusammenkommen muß, wieviel persönliches und politisches Erleben, ehe ein Kunstwerk entstehen kann«. Was ihn an der Person und an dem Stoff reizte, war »das seltsame Phänomen, daß Goya an die fünfzig
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