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Grabesdunkel

Grabesdunkel

Titel: Grabesdunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Beverfjord
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dass sie ermordet wurde.«
    Â»Ich weiß, aber da hat auch gestanden, dass sie gefoltert wurde. Ich hatte Angst. Ich war schon mehrmals bei Nyhetsavisen und habe nach dir gefragt, aber sie konnten dich nicht erreichen. Ich habe mich auch nicht getraut, dir eine Nachricht zu hinterlegen. Ich musste dich erst persönlich sehen.«
    Agnes nickte. Sie war in den letzen Tagen nicht gerade leicht zu erreichen gewesen. Sie sah Hannas Mundwinkel unkontrolliert zucken. Die Medizinstudentin hatte einen Einblick in eine Welt bekommen, von deren Existenz sie nicht einmal eine Ahnung gehabt hatte.
    Â»Was machst du jetzt?«, wollte Agnes wissen.
    Â»Ich weiß es nicht.«
    Â»Wirst du zur Polizei gehen?«
    Â»Ich denke schon.«

Kapitel 61
    Sie parkten am Weg unterhalb der Hütte. Es war Viertel vor zwei. Für die Fahrt hatten sie beinahe fünf Stunden gebraucht. Joakim knallte mürrisch die Autotür zu. Er hatte gerade festgestellt, dass VG und Dagbladet bereits vor Ort waren. Er lief den Hang hinauf bis zur Polizeiabsperrung. Außer der Presse hatten sich auch Schaulustige aus der Gegend eingefunden. Joakim wählte die Nummer von Nils Gullestad, die er noch im Speicher seines Handys hatte. Ein Stück weiter vorne klingelte es. Der Mann, der sein Handy aus der Tasche zog, trug einen Regenmantel, der über dem schmalen Körper fast wie ein Zelt wirkte. Joakim winkte mit dem Handy und trat zu ihm.
    Â»Joakim Lund Jarner von Nyhetsavisen.«
    Gullestad nickte und erzählte, wie die Polizei über mehrere Stunden versucht hatte, Østby dazu zu bewegen, aus der Hütte zu kommen.
    Â»Hat er sie bedroht?«
    Gullestad schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich habe mit den Leuten geredet, die auf dem nächstgelegenen Hof leben. Østby ist ein tüchtiger Jäger. Die Hütte ist bestimmt voller Waf…«
    Gullestad hielt mitten im Wort inne. Sie waren von einem Knall unterbrochen worden. Joakim sah aus dem Augenwinkel, wie Rasmus sich am Wald entlang zur Hütte schlich und wie er unter den Absperrungen hindurchschlüpfte. Alles kam ihm vor wie in Zeitlupe. Die Polizisten, die unten am Weg gestanden hatten, um Presse und Publikum im Auge zu behalten, liefen zu ihren Kollegen, die oben an der Hütte waren. Vielleicht hatten sie Angst, dass es einen von ihnen erwischt hatte. Joakim hingegen vermutete, dass Østby sich umgebracht hatte.
    Er spürte, wie sein Mund knochentrocken wurde, wie seine Hände sich seltsam anfühlten, als würden sie von winzig kleinen Nadeln zerstochen.
    Â»Stimmt etwas nicht?«
    Joakim drehte sich um und starrte in Gullestads Gesicht, das vor seinen Augen verschwamm. Er spürte, dass er leicht schwankte.
    Â»Nein, warum?«, fragte er heiser.
    Â»Sie sind aschfahl. Vielleicht sollten Sie sich lieber hinsetzen?«
    Joakim setzte sich auf den feuchten Boden. Die Journalisten der Konkurrenz schienen zu beschäftigt, um seinen Kollaps zu bemerken. Er spürte Ibens Blick in seinem Rücken und starrte zum Wald hinüber. Er war dicht, undurchdringlich und drohend, genau wie damals vor siebzehn Jahren.
    Joakim war elf gewesen, als es passierte. Es war einer der ersten Herbsttage. Das Laub färbte sich langsam rot. Iben wurde seit vierundzwanzig Stunden vermisst. Es hatte zu dämmern begonnen. Es war Sonntag und der dunkelste Tag der Welt. Sie hatte gesagt, dass sie auf eine Party wollte und vor Mitternacht zu Hause sein würde. Die ersten Stunden warteten die Eltern still und ruhig. Dann begannen sie herumzutelefonieren.
    Â»Wir rufen die Polizei an«, sagte die Mutter.
    Â»Glaubst du, dass es auf Platz eins ihrer Prioritätenliste steht, an einem Samstagabend nach einem sechzehn Jahre alten Mädchen zu suchen, das von einer Party nicht nach Hause gekommen ist?«, meinte der Vater.
    Sie riefen trotzdem die Polizei an. Und bekamen die Antwort, die der Vater befürchtet hatte – sie sollten noch ein bisschen abwarten, bevor die Polizei etwas unternehmen konnte. Anschließend telefonierten die Eltern Ibens Freunde durch, doch niemand hatte etwas gehört. Niemand hatte sie an diesem Abend gesehen. Deshalb machten sich die Eltern auf die Suche nach ihr, fuhren alle Wege um Nesodden ab. Vielleicht war sie in einer überdachten Bushaltestelle eingeschlafen. Vielleicht war sie in einen Graben gefallen. Vielleicht.
    Joakim war zeitig aufgewacht. Es war fünf, als er ins Erdgeschoss hinunterging. Alle

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