Graf Petöfy
Viardot hat er die Freundschaft erneuert und mit der Sarah Bernhardt diniert, ein Diner, von dem sich mindestens eine Woche lang in enthusiastischer Erinnerung zehren läßt. Mitte Juni will er nach Trouville, wenn nicht nach Biarritz, er ist aber unberechenbar und hält eigentlich jeden Tag für verloren, den er, etwa Schloß Arpa abgerechnet, außerhalb Wien zubringt.«
In diesem Augenblick hörte man aus der Ferne her den Pfiff einer Lokomotive. »Das ist mein Zug, meine Damen, und ich muß eilen.«
»Oh, Sie haben noch sieben Minuten.«
Und er setzte sich wirklich wieder. Aber die Dogge, die sich all die Zeit über vor die kleine Verandatür gelagert und den Kopf zwischen die Pfoten gesteckt hatte, gab jetzt so sichtliche Zeichen von Ungeduld und schlechter Laune, daß ihr Herr unter scherzhaftem Hinweis auf den malkontenten Begleiter sich wieder erhob.
»Ein schönes Tier!« sagte Phemi. »Fast zu schade...«
»Für sein Coupé?« ergänzte lachend der Graf. »Gewiß. Und würd es auch sehr übelnehmen, sich darin untergebracht zu sehen, denn er steckt ganz und gar in Standesvorurteilen. Ich muß es eben mit dem Schaffner versuchen. Mißglückt es, so macht er die vier Meilen zu Fuß. Apropos, ich darf doch der Tante von Ihrem Hiersein melden? Au revoir.«
Und er ging rasch die Straße hinunter, an deren nahem Ausgange das Bahnhofsgebäude gelegen war. Eben fuhr der Zug ein. Eine Minute darnach aber gab die Glocke schon wieder das Abfahrtszeichen, und beide Damen sahen nur noch die weiße Dampfwolke, die, sich verflüchtigend, über die letzten Häuser hinzog.
Weder Phemi noch Franziska sprach. Jede hing ihren Gedanken nach.
Sechstes Kapitel
Graf Egon hielt Wort, und schon den zweiten Tag darnach, als beide Freundinnen von einem Mittagsspaziergang zurückkehrten, fanden sie zwei Karten vor, die von einem Lohndiener abgegeben waren, während die Gräfin selber in einem zurückgeschlagenen Wagen vor der Veranda gehalten hatte. Phemi drehte die für sie bestimmte Karte hin und her und las mit Betonung jeder einzelnen Silbe: »›Reichsgräfin Judith von Gundolskirchen, geborene Gräfin Petöfy.‹ Wundervoll, und kommt in der Schale, wenn ich erst wieder in Wien bin, obenauf. An Grafen ist kein Mangel bei mir, aber Gräfinnen sind desto seltener. Glaube mir, Fränzl, dergleichen ist nicht nur hübsch, sondern auch nützlich, und man muß jede gute Brise benützen... Und in einem Wagen, sagtest du, Hannah?«
»Ja, in einem Wagen«, bestätigte Hannah. »Und es war eigentlich nur der Hotelwagen von drüben, aber alles herrschaftlich zurechtgemacht und der Kutscher mit Handschuhen. Er sah so feierlich aus, daß mir das Lachen ankam. Und dazu der lange Sepp als Lohndiener und einen Frack an. Und alles bloß für uns, Fräulein Phemi, wirklich bloß für uns. Denn an der nächsten Ecke sah ich sie kehrtmachen, und ehe ich noch bis hundert zählen konnte, hielten sie schon wieder vor dem ›König von Ungarn‹.«
Franziska war mehr bestürzt als erfreut. Allerdings waren ihr die Winterabende bei der Gräfin in durchaus freundlicher Erinnerung, aber die Beziehungen von damals wieder aufgenommen zu sehen entsprach wenig ihren Wünschen.
Am andern Tage gaben beide Damen in Abwesenheit der Gräfin ihre Gegenkarten ab, und Franziska lebte der Hoffnung, daß es dabei sein Bewenden haben werde. Darin irrte sie jedoch, und schon derselbe Tag war dazu bestimmt, eine persönliche Begegnung herbeizuführen.
Es kam dies so:
Zu den kleinen Zerstreuungen Franziskas und Phemis gehörte namentlich auch der Bahnhofsbesuch, wo sie zu promenieren und das bunte Treiben der ankommenden und abgehenden Züge zu beobachten pflegten. Auch heute hatten sie sich eingefunden und bogen eben aus den Anlagen in den parallel mit der Bahn laufenden Kiesweg ein, als Franziska der Gräfin ansichtig wurde, die, von ihrer Kammerjungfer gefolgt, auf dem Perron auf und ab ging und ebenfalls den von Wien kommenden Vieruhrzug abzuwarten schien. Es fehlten nur noch einige Minuten. Ein Sichvermeidenwollen wäre wenig schicklich, außerdem auch undurchführbar gewesen, und so trat denn Franziska an die Gräfin heran und bat nach den ersten Begrüßungsworten, ihr ihre Freundin Euphemia La Grange vorstellen zu dürfen. Die Gräfin reichte dem Fräulein die Hand und sprach ihr Bedauern aus, den ihr zugedachten Besuch der beiden Damen verfehlt zu haben, zugleich Franziska versichernd, wie sehr sie sich freue, die so plötzlich unterbrochene
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