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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Schreibtisch und schrieb, ohne daß sie das Wörterbuch zu Rate gezogen hätte:
     
    »Vater, Vater, lieber, guter Vater,
    Meine liebe Mutter liebt Barcsai.«
     
    »Hörst du, Weib, was unser Kind da plaudert?«
     
    »Hör wohl, was es plaudert, liebster Gatte.
    Töricht ist es. Weiß nicht, was es redet.«
     
    Und er eilt von hinnen, fort auf Tolna,
    Ging die Hälfte Weges – kam dann wieder.
     
    »Öffne, Weib, die Türe, öffne, Gattin!«
     
    »Ja, ich öffne, öffne schon, mein Gatte,
    Laß den Rock nur um den Leib mich werfen,
    Laß die Linnenschürze nur mich umtun,
    Laß die roten Stiefel nur mich anziehn.«
     
    Aber jener sprengte schon die Türe.
     
    Hier legte Franziska die Feder nieder und überflog das wenige, was noch folgte. Wo das sprachliche Verständnis einen Augenblick versagte, half ihr das Bild nur zu gut nach, und so wußte sie zum Schluß, daß das unglückselige Weib, »weil es den Barcsai geliebt«, bei einem durch den Gatten veranstalteten Rachegastmahl diesem und seinen Gästen als brennende Fackel gedient hatte.
    Sie schob entsetzt das Blatt beiseite.
    In diesem Augenblick aber meldete der alte Czagy, daß der Graf die Frau Gräfin zum Tee bitten lasse. Sie ließ ihm ihr Erscheinen zurücksagen, und als sie sich gleich darnach in einem kurzen Gespräche mit Hannah wieder gesammelt hatte, kam ihr plötzlich der Einfall, ob es sich nicht empfehlen würde, das ganze Vorkommnis ins Scherzhafte zu ziehen und dem Grafen eine humoristische Szene daraus zu machen. Wirklich, es war ein vorzüglicher Stoff, aber sie fühlte doch allzu deutlich, daß es mißglücken werde. So gab sie denn den Plan wieder auf und begnügte sich damit, bei der Teeplauderei von Toldy zu sprechen und von der kleinen Marischka, die mit jedem Tage reizender und drolliger werde.
     

Zwanzigstes Kapitel
     
    Der Curatus, der am andern Vormittage wie gewöhnlich zum Unterricht kam, war mit der Übertragung zufrieden und erheiterte sich an Franziskas Entsetzen über den Inhalt der Ballade. Dabei nahm er zugleich Veranlassung, den Literarhistoriker zu spielen, Barcsai sei Lieblingsballade von alter Zeit her und seinem Stoffe nach nicht schrecklicher als andere. Das sei nun mal Balladenrecht, wenigstens in Ungarn. Es gäbe kaum ein altes Volkslied, darin nicht Verrat und Untreue vorkämen, denn das Lied spiegle das Leben. Allerdings verlange das Volksgefühl hinterher auch Sühne, ja, sei dabei ziemlich streng und gestatte meist nur die Wahl zwischen Eingemauert- und Angezündetwerden. Aber das letztere werde bevorzugt, weil es bunter und lebendiger sei.
    So ging das Geplauder, und alle Schrecknisse der Barcsaiballade waren aus ihrer Seele weggescherzt, als der Graf sie gleich nach Ablauf der Unterrichtsstunde zur Spazierfahrt abholte.
    Diese Spazierfahrten, die meist in die Berge hinein, aber auch wohl um die nördlichen Buchtungen des Sees gingen, blieben Franziskas besondere Freude, was nicht überraschen durfte. Der Graf war auf diesen Fahrten am gesprächigsten und plauderte dann viel von seinen Kinder- und Jugendjahren, von seiner geschwisterlichen Liebe zu Gräfin Judith und wie schön und reizend sie gewesen sei, bis endlich der alte Gundolskirchen, ein hausbackener Steiermärker, einer von denen, die mit Reiterstiefeln zur Welt kommen, an die Stelle der ihr angeborenen magyarischen Grazie die deutsche Würde vulgo Schwerfälligkeit gesetzt habe, den Rest habe dann die Kirche getan.
    Allemal, wenn das Gespräch diese Richtung nahm, nahm Franziska wahr, daß es dem Grafen in der Neigung lag, über die kirchlich und zugleich schwerfällig-deutsch gewordene Schwester Judith in einen spöttischen Ton zu verfallen, aber ebensowenig entging ihr, daß es diesem spöttischen Ton an Unbefangenheit gebrach. Soviel er sich dagegen sträuben mochte, die Schwester hatte doch das, was ihm fehlte: Klarheit und Einheit. Sie war jede Stunde dieselbe, während er auf jedem Gebiete schwankte. Selbst sein prononciert ungrischer Patriotismus, so voll und ehrlich er war, war doch schließlich nicht ganz das, wofür er ihn ausgab, und so kamen ihm selbst zum Trotz immer wieder Stunden, in denen er empfand, ohne Hof und Hauptstadt eigentlich nicht existieren zu können. Es ging eben ein Bruch durch sein Leben und seine Denkweise.
    Wochen vergingen. Eine besondere Freude war ihm die Vorliebe, mit der Franziska ihren Studien oblag, und nur
ein
Schatten lagerte sich über diese glückliche Zeit: allerlei Herrenbesuch aus der Nachbarschaft

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