Graf Petöfy
folgen zu lassen, sah mich aber immer wieder an der Ausführung meines Vorhabens verhindert.
Auch der heutige Tag schien mich durch ein schweres Unglück auf unserem See, das dem Geistlichen von Nagy-Förös das Leben kostete – selbst das Allerheiligste versank in die Tiefe –, meinem Vorhaben abermals untreu machen zu wollen. Ich entreiße mich aber der dadurch hervorgerufenen Stimmung und schreibe.
Vierzig Tage sind es heute, daß ich auf Schloß Arpa bin, und die lange kurze Zeit liegt hinter mir wie ein Traum. Die Güte des Grafen gegen mich ist grenzenlos, seine Nachsicht rührend, seine Meinung von mir beschämend. Er findet, daß mir nicht ausreichend gehuldigt wird, und zürnt darüber mit der Nachbarschaft, die sich seiner Ansicht nach mehr als statthaft zurückhält; es gelingt mir aber immer wieder, einen Ausbruch seiner Empfindlichkeit zu hindern und ihm den gegenwärtigen Zustand als einen erklärlichen, entschuldbaren und sehr wahrscheinlich auch vorübergehenden darzustellen.
Ich habe mich nun hier völlig eingelebt, und so mag es mir gestattet sein, Ihnen, meine gnädigste Gräfin, ein Bild dieses Lebens zu geben.
Den Morgen verbring ich mit Petöfy; dann folgen viele Stunden, in denen ich mir allein gehöre. Das Zimmer, das ich bewohne – das zweifensterige neben dem großen Eßsaal –, gönnt mir einen Blick über den See, dessen Schönheit mich immer wieder entzückt. Anfänglich jeden Tag und jetzt jeden zweiten Tag kommt der Herr Curatus von Szegenihaza herauf und gibt mir eine Sprachstunde (magyarisch), die sehr oft eine Doppelstunde wird. Gescheit und fromm, dabei persönlich ohne jedweden Anspruch, gehört er ganz jenen selbstsuchtlosen und aller Eitelkeit entkleideten Geistlichen zu, denen man in Ihrer Kirche häufiger begegnet als in der unsrigen. Ich disputiere mit ihm beinahe mehr, als ich konjugiere, woraus mir der Vorteil wird, im Ungrischlernen auch zugleich die katholische Kirche kennenzulernen, von der ich offen gestanden bis dahin sehr unausreichende Begriffe hatte.
Neben dem Geistlichen ist es der alte Toldy, der meine Zeit am meisten in Anspruch nimmt. Er lebt mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart, und unter den Gegenständen seiner Adoration steht Comtesse Judith obenan. Ein wahres Kreuz könnte mir sein bei jeder Gelegenheit hervortretendes Magyarentum sein, wenn nicht die Naivität, mit der sich dasselbe gibt, etwas Versöhnendes und oft etwas geradezu Rührendes hätte. So nehm ich ihn denn als Type, folg ihm liebevoll auch in seinen Schwächen und vervollständige durch mein Geplauder mit ihm die Sprachstudien, zu denen der Geistliche von Szegenihaza die Fundamente legt. Meine Fortschritte setzen mich beinahe selbst in Verwunderung, aber mehr noch, als sie mich verwundern, beglücken sie mich. Denn ich gehöre nun diesem Lande mit meinem Herzen, und wenn vielleicht nicht voll mit meinem Herzen, so doch mit meinen Entschlüssen an und will das ganz sein, was zu sein ich mir an jenem mir unvergeßlichen Tage vornahm, der mir zuerst Ihr schönes Herz und Ihre wohlwollenden Gesinnungen für mich offenbarte. Nach dem nur kurzen Diner, sechs Uhr, folgen Fahrten über Land, ein paarmal auch schon über den See. Das schönste Wetter hat uns bis jetzt begünstigt; nicht einmal ein Gewitter zog in den heißen Tagen herauf. Den Tee nehmen wir abwechselnd auf der Plattform in Front des Schlosses oder auf der obersten Gartenterrasse, die sich mehr und mehr in einen Blumengarten verwandelt hat. Ich erzähle dann, was ich von Josephine gehört oder auch in den Zeitungen gelesen habe, wobei mich immer wieder die schöne Milde des Grafen überrascht und ein Gerechtigkeitssinn, der, so möcht ich annehmen, auch Sie, gnädigste Gräfin, in Erstaunen setzen würde. Denn er ist doch anders, als Sie vermeinen, anders in diesem und manchem andern Punkte. Wohl zeigt er sich unruhig und unbefriedigt und sucht die Ruhe nicht da, wo sie vielleicht einzig und allein zu finden ist, aber er sucht sie doch und nicht bloß in dem, was man Zerstreuungen nennt. Er birgt vielmehr umgekehrt einen Schatz von Gemüt in seinem Herzen, und daß er nur selten und immer nur flüchtig und andeutungsweise davon spricht, ist mir ein Beweis mehr von seiner tiefer angelegten Natur. Erst gestern abend auf unserer Spazierfahrt bei Sonnenuntergang, was er besonders liebt, überraschte mich wieder ein Wort von ihm. Die Sonne stand schon unter dem Horizont, aber in dem zurückgebliebenen Glutscheine spiegelte
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