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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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kam, oft mehr, als lieb und bequem war, aber die Damen blieben aus und ließen mit jedem Tage deutlicher erkennen, daß man die Mesalliance betonen wolle. Der Graf ärgerte sich heftig und begann den Besuchern, ja selbst Szabô gegenüber, eine große Kühle zu zeigen und ließ sich dann im Gespräche mit Franziska, wenn der Besuch endlich fort war, bis zu Bitterkeiten und Drohungen hinreißen. Er sei nicht gewohnt, einen solchen Affront zu dulden; ob man ihn etwa zwingen wolle, sich an die Revision der ungrischen Stammbäume zu machen? Er habe lange genug gelebt, um das Wunderbarste darüber berichten zu können. In dieser erregten Sprache ging es weiter. Aber so heftig er war, so wurd es doch schließlich Franziska nie schwer, die Zornesfalte wieder wegzudisputieren. »Laß, Petöfy, du zwingst mich sonst, dir einen Kursus über vornehme Welt zu halten! Ich will dir erzählen, wie's kommt. Eines Tages sind wir in Pest, und ein Erzherzog oder vielleicht die Kaiserin selbst ladet uns in ihre Zirkel. Andrassy reicht mir den Arm, und Prinzessin Gisela gebt eine Viertelstunde lang in irgendeinem Poetensteig oder noch besser auf einer freien Parkwiese, wo wir hundert Zuschauer haben, mit mir spazieren. Sieh, ich biete jede Wette, den andern Vormittag weiß ich mich vor Besuch, auch vor Damenbesuch, nicht mehr zu retten.«
    Es war eines Morgens im September, als dies Gespräch geführt wurde. Franziska zog sich gleich darnach in ihre Zimmer zurück und klingelte nach Josephinen. Diese war meistens guter Laune, hatte Neuigkeiten und erhielt jeden Tag einen langen und zärtlichen Brief von ihrem Wiener Bräutigam, was sie freilich nicht hinderte, sich von dem halben Schloß Arpa den Hof machen zu lassen. Dieses beständige Kokettieren, und noch dazu nach allen Seiten hin, berührte Franziska wenig angenehm, aber der Wiener Brief und die Lust und Ungeniertheit, womit seitens der Empfängerin der Inhalt desselben jedesmal zum besten gegeben wurde, ließen sie doch über manches hinwegsehen und brachten es zuwege, daß die Toilettestunde keineswegs zu den schlimmsten des Tages zählte.
    »Nun, Josephine, was schreibt er heute?«
    »Kein Brief gekommen.«
    »Aber die Zeitungen sind doch schon da. Vielleicht ist er dir untreu geworden.«
    »O nicht doch, gnädigste Gräfin, das kann nicht sein. Ich hab einen Charme von klein auf, und wer den Charme hat, von dem kann keiner wieder los.«
    »Er könnt aber doch gehört haben, daß du hier herumkokettierst und sogar mit dem Andras dein Wesen treibst.«
    »Mag er. Da wird er bloß eifersüchtig, und mit der Eifersucht wächst der Charme. Das weiß ich. Übrigens brauchen wir heute keine Briefe, gnädigste Gräfin, denn wir haben genug mit uns selber zu tun. Ist ja seit gestern abend, als wäre der Böse los im Gebirg und auf dem See.«
    »Was gibt es denn?«
    »Ein Wildschwein hat dem Försterssohn von Szent-Görgey die Seit aufgerissen; liegt auf den Tod. Und auf dem See gestern abend, als die Fähre von Nagy-Förös nach Mihalifalva hinüber wollt, ist das Boot umgekippt, und ihrer elf sind ertrunken. Und der elfte war der Kaplan, das heißt ein junger Kaplan, hübsch und blaß, der einem Kranken die Sterbesakramente bringen wollt. Und hat das Allerheiligste hoch in der Hand gehalten, immer über dem Wasser. Aber es hat ihn auch nicht retten gekonnt.«
    »Ich begreife nicht, daß mir der Graf nicht davon gesprochen hat.«
    »Es kommt eben erst aufs Schloß, und der Herr Graf wissen es noch keine Viertelstund. Es ist das Neueste.«
     
Einundzwanzigstes Kapitel
     
    Die Nachricht von dem Unglück auf dem See hatte Franziska wirklich erschüttert, aber Josephinen, als sie nach einer halben Stunde das Zimmer wieder verließ, war es nichtsdestoweniger gelungen, das Gleichgewicht in ihrer Herrin Seele wenigstens so weit wiederherzustellen, daß alle vorerzählten Ereignisse nur noch nachwirkten, als ob sie sich im vorigen Jahrhundert oder weit weg in einem überseeischen Lande zugetragen hätten. In keinem Falle nahm Franziska Veranlassung, ihre Tagesordnung dadurch stören zu lassen, die für heut einfach lautete: Brief an Gräfin Judith.
    Unmittelbar nach ihrer Ankunft hatte sie bereits an diese geschrieben, aber doch nur wenige Zeilen, Zeilen, auf die weder eine Antwort erwartet noch eingetroffen war. So lag denn eine wirkliche Schreibepflicht vor.
    »Schon seit einigen Tagen, meine gnädigste Gräfin, war ich willens, meiner ersten Benachrichtigung von hier einen längeren Brief

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