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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sich noch von unten her ihr Schattenbild. Er wies darauf hin und sagte: ›Sieh, Franziska, das ist das Leben oder doch sein Ausgang. Wenn die Sonne fort ist, bleibt uns ihr Bild noch eine Weile zurück, aber ein Schattenbild nur, und auch das ist kurz.‹ In dieser Weise spricht er öfter zu mir und verrät darin einen Anflug von Resignation, der mich betrübt. In allem andern aber bin ich glücklich und unzweifelhaft um vieles glücklicher, als ich zu hoffen wagte. Gute Sterne haben bisher über meinem Leben auf Schloß Arpa gestanden, und von dem, was ich fürchtete, hat sich nichts erfüllt. Ich fürchtete mich vor Unfreiheit, auch vor Unfreiheit in kleinen Dingen, aber in Wahrheit bin ich freier geworden. Wieviel schöner ist dies Leben als das, das abgeschlossen hinter mir liegt und in dem eines war, das mich stets empörte: das Sichbewerbenmüssen um Gunst und Liebe. Hier hab ich beides als ein freies Geschenk.
    Anfang Dezember will Petöfy wieder nach Wien zurück. Ich freue mich darauf und auch nicht. Das laute, großstädtische Leben hat einen unendlichen Reiz für mich gehabt und hat ihn vielleicht noch, aber ich möchte nur Zuschauer darin sein und nur andere leben und erleben lassen. Selbst wieder eine Rolle darin zu spielen widerstrebt meinem innersten Herzenszuge. Mir will es scheinen, daß ich, wenn nicht für die Stille, so doch für die Kontemplation geboren und in dem, was mir zurückliegt, in einem Irrtum befangen gewesen bin. Ich habe noch eine Sehnsucht, aber diese Sehnsucht ist nicht die Welt. Oder irrt ich auch darin wieder? Schließen Sie mich in Ihre Gebete ein. Ihre Ihnen dankbar und herzlich ergebene
    Franziska Petöfy«
     
Zweiundzwanzigstes Kapitel
     
    Abermals waren Wochen vergangen, und in Ablösung der sonnigen Tage, die seit Anfang August über Schloß Arpa gestanden, hatten sich Regentage eingestellt. »Es regnet wie auf dem Szekler Landtage«, sagte Franziska scherzhaft, und als der Graf nach der Bedeutung davon fragte, rezitierte sie zu seiner nicht geringen Erheiterung das gleichnamige Chamissosche Gedicht.
    »Ei, da muß ich aus einem norddeutschen Gedicht erfahren, wie's auf dem Szekler Landtag aussieht«, lachte der Graf, und jedesmal, wenn er Franziska begegnete, wies er auf die Wasser, die draußen nach wie vor niederströmten, und wiederholte die Refrainzeile: »Der Regen regnet immer noch.«
    Als es mit diesem Wetter anfing, versuchten beide zunächst noch ihre Spazierfahrten fortzusetzen, am dritten Tag aber waren die Wege bereits so grundlos geworden, daß man es aufgeben mußte. Nichts blieb ihnen als eine Promenade durch die Gewächshäuser und ein tagtägliches fleißiges Billardspiel, das Franziska wenigstens im Anfang sichtlich bemüht war zu lernen. Aber weder das eine noch das andere konnt ihr eine rechte Freude schaffen, in den Treibhäusern war es zu wasserschwül, und das Billardspiel ärgerte sie, weil es ihr nicht gelang, es im Umsehen zu bemeistern. In allem, was sie tat, wollte sie rasche Resultate sehen. Nichtsdestoweniger hielt man sich bei Stimmung und fand immer neue Mittel, um ein sich anmeldendes Unbehagen aus dem Felde zu schlagen. In allen Kaminen brannten riesige Feuer, der kleine Geistliche, wenn er zur Unterrichtsstunde kam, ward über den halben Tag hin festgehalten, und die kaum dreijährige Marischka, Toldys Jüngste, sah ihren Geburtstag gefeiert, als ob sie wenigstens eine Prinzeß gewesen wäre. Zweimal gab es auch Tanz. Zigeuner, denen man bei dem Unwetter einen Unterschlupf in einer Schloßbaracke gegönnt hatte, spielten zum Dank dafür ihre Czardas (Hanka selber war mit heraufgekommen), und Graf und Gräfin saßen all die Zeit über in der großen Halle, darin sich die Dienstleute versammelt hatten, und sahen dem Treiben zu. Selbst Josephine tanzte mit, unter den Klängen der Musik sich einer Exklusivität entschlagend, auf die sie sonst nur in ihren intimsten Privatverhältnissen zu verzichten pflegte.
    So ging es anderthalb Wochen, und man hätte sich in neue gute Tage, die doch endlich anbrechen mußten, hinübergerettet, wenn nicht Krankheit gekommen wäre. Erst erkrankte Hannah und den Tag darauf auch der Graf.
    Franziska nahm es nicht allzu schwer damit oder gab sich wenigstens das Ansehen davon, und als Hannah sie wegen der doppelten Krankenpflege bedauern wollte, sagte sie: »Hannah, ich begreife dich nicht. Wie du nur so töricht sein und alles so falsch ansehen kannst! Du tust mir leid, und der Graf tut mir leid, aber sprich

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