Graf Petöfy
Schloßhofe stattfindenden Vorgange neugierig zuzusehen schien.
»Was hast du?« fragte sie, Hannah aber winkte nur halb geheimnisvoll, so still wie möglich heranzutreten, und als Franziska diesem Winke folgte, sah sie, daß eine Taube bemüht war, ein großes Wollknäuel abzuwickeln, das mitten auf dem Schloßhof lag und von einer der Mägde verloren sein mußte. Das Tierchen, eine Kropftaube, pickte beständig daran herum und ruhte nicht eher, als bis es einen wohl zwanzig Fuß langen Faden abgewickelt hatte, mit dem es nun, während das unten liegenbleibende Knäuel sich abwechselnd hob und wieder fiel auf eine dicht neben dem Glockenstuhl befindliche Maueröffnung zuflog. Es war ganz ersichtlich, daß es den unten von ungefähr gemachten Fund benutzen wollte, sich oben ein Nest zu bauen, und als Hannah wahrnahm, daß alles beinahe abgewickelt war, schickte sie sich an, an das alte Knäuel ein neues anzubinden, bloß um sich zu vergewissern, wie lange das Tier wohl in seinem Fleiße verharren würde. Franziska litt es aber nicht und sagte: »Du darfst es dem, der sein Nest bauen will, nicht zu schwer machen.«
»Ich mach es ihm nicht schwerer, als er sich's selber macht. Dieser Kröpfer kann ja den Faden, wenn er will, jeden Augenblick wieder fallen lassen.«
Es war nur ein kleiner und unbedeutender Hergang, und doch haftete das Bild davon in Franziskas Seele. »Trieb!« sagte sie. »Wohl nichts weiter als Trieb. Aber er bedeutet Arbeit und Mühe um Lebens und Liebe willen.«
Und sie hing diesen und ähnlichen Betrachtungen noch eine Weile nach.
Aber die Mittagsstunde war nahe heran, und der Graf ließ sagen, daß der Wagen in einer Viertelstunde vorfahren werde. Da galt es denn, sich zu eilen. Sie wußte, wie sehr er auf Pünktlichkeit hielt, und trat eine Minute vor der Zeit in sein Zimmer in leichtem Hut und schwarz und weiß gestreiftem Burnus, darin er sie mit Vorliebe sah. Die Kapuze mit der Quaste daran und mehr noch der seidenglänzende Stoff, der im Winde bauschte, kleideten sie in der Tat vorzüglich. Ein zweiter, leerer Wagen, ebenfalls zweisitzig, folgte. Den Bergweg hinunter ging es in einem mäßigen Trab, unten aber jagten die Pferde durch die Tümpel hindurch, die hier noch überallhin von der Regenzeit her standen. Der Mais ragte hoch auf, so hoch, daß auf eine ganze Strecke hin der Ausblick gehindert war, kaum indes, daß ihr Wagen die Maisplantage hinter sich hatte, so ward auch schon der Dampfer sichtbar, der auf die Anlegestelle zusteuerte.
»Rasch, rasch!« rief der Graf, indem er dem Kutscher einen Schlag auf die Schulter gab und auf das immer näher kommende Schiff deutete, dessen unausgesetztes Läuten eine ganze Welt von Ankömmlingen erwarten ließ. Aber nur wenige Passagiere standen unter dem ausgespannten Dach, dessen rot eingefaßte Borte lustig hin und her flatterte. Franziska glaubte die Gräfin schon von fernher erkannt zu haben und wies auf eine stattliche Gestalt in schwarzer Robe; der alte Graf aber, der schärfer sah, lachte herzlich, daß sie den Geistlichen von Nagy-Vasar, »der freilich noch schwärzer als Schwester Judith sei«, mit dieser verwechselt habe.
Fast im selben Augenblick, wo der Wagen hielt, hielt auch der Dampfer.
Egon, in Jagdrock und steirischem Hut, sprang ans Ufer, umarmte den Oheim und küßte Franziska die Hand. Er schien in ausgiebigster Laune, freilich auf Kosten der alten Gräfin, die noch immer nicht sichtbar wurde. Die Tante habe sich zu Beginn der Fahrt auf Deck befunden und bei den gleichgültigsten Stellen im heißesten Sonnenbrande tapfer ausgehalten, im Moment aber, wo der See breit und schön geworden sei, habe sie sich in die Kajüte zurückgezogen, nicht um zu schlafen, was er gelten lasse, sondern um eines seekranken Kanarienvogels willen, der seit etwa zwei Monaten mit Feßler die Herrschaft teile. »Mais voilà.« Und nun wies er auf die Tante, die mit dem Vogelbauer in der Hand eben die Kajütentreppe heraufkam und gleich darnach auch die kleine Rollbrücke passierte, die man inzwischen von der Landungsstelle her auf das Schiffsdeck geschoben hatte.
Die Begrüßung war herzlich, weniger mit dem Bruder als mit Franziska, deren Handkuß sie mit einem Kuß auf die Stirn erwiderte. »Wie gut dir die Luft von Schloß Arpa bekommen ist! Vortrefflich. Du siehst besser und frischer aus als in Öslau. Und das waren doch auch schöne Tage. Nicht wahr? Hörst du noch dann und wann von dem reizenden Fräulein Phemi?«
Unter solchem
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