Graf Petöfy
halb scherzhafte Meinungsverschiedenheiten keine Schädigung, weil man sich in ernsthaften Dingen einig wußte. Dies trat schon an einem der ersten Tage hervor, wo Gräfin Judith, ihre Scheu gegen Treppensteigen überwindend, einen speziellen, allerdings auch wohl von Neugier diktierten Anstandsbesuch bei Franziska gemacht und eine herzliche Plauderstunde mit dieser gehabt hatte. Gleich beim Eintritt war sie froh überrascht gewesen, dem Muttergottesbilde wiederzubegegnen, das sie sich sehr wohl entsann in den Tagen ihrer Kindheit an eben dieser Stelle gesehen zu haben. Und wirklich, nur der Rosenkranz am Arm des Christkindes war neu hinzugekommen. Franziska, die rasch bemerkte, was im Gemüte der alten Gräfin vorging, schob ihr einen bequemen Sessel heran, setzte sie sorglich hinein und sagte dann erklärend und in einem gedämpften Tone: sie habe sich wohl gedacht, daß ihr das Muttergottesbild eine besonders liebe Erinnerung sein werde, weshalb sie denn auch eine Weile geschwankt habe, ob sie's nicht von der Konsole herabnehmen und unten im Schlafzimmer der Gräfin aufstellen solle. Aber sie woll es nur gestehen, sie habe sich ihrerseits nicht davon trennen mögen. Denn das Muttergottesbild sei das erste gewesen, von dem sie hier auf Schloß Arpa begrüßt worden sei, noch früher als von Hannah, und sosehr sie sich im ersten Augenblick als Protestantin über diesen Gruß verwundert und beinahe erschreckt habe, so sei's ihr doch am andern Tage schon gewesen, als wüchse das kleine Nischendach und nehme sie mit unter seinen Schutz.
Von all diesem, als Franziska so sprach, war der guten Gräfin Herz so ganz getroffen worden, daß sie bewegt geantwortet hatte: Franziska habe recht getan, das Bild an alter Stelle zu lassen; man solle, nach dem Sprüchwort, alte Bäume nicht verpflanzen, aber alte Heiligenbilder auch nicht, und so hoffe sie sich keiner Sünde schuldig zu machen, wenn sie rundheraus ausspreche, die Heiligen segneten überall, aber da, wo sie gerade stünden und schon von alter Zeit her gestanden, da hätten sie doppelte Macht und noch ganz besondere Wurzeln ihrer Kraft. Und dieser Kraft bedürfe der eine mehr als der andere. Franziska sei jung, und ein junges Herz, eben weil es jung sei, brauche zwiefach Trost und Beistand. Ein altes finde sich schon eher zurecht. Und darnach hatte man das Gespräch fallenlassen, das nichtsdestoweniger oder vielleicht gerade, weil man es still nachwirken ließ, das gute Verhältnis zwischen beiden noch um ein erhebliches befestigt und auch wohl Hoffnungen in dem Herzen der alten Gräfin angeregt hatte. Denn sie war nach wie vor nicht frei von dem Hange nach Bekehrung und hielt es mit dem Fischzuge Petri. Schon in Wien hatte sie mit Feßler die Möglichkeit eines Übertritts erwogen und an dem Tage, der dem vorerwähnten Gespräche mit Franziska folgte, diesen Punkt auch brieflich wieder aufgenommen. Aber erst einem zweiten kleinen Ereignisse war es vorbehalten, sie hinsichtlich ihrer Konversionspläne mit voller, wenn auch freilich abermals mißverstandener Hoffnung zu erfüllen. Das Ereignis selbst aber war das folgende.
Schon bald nach Egons und der alten Gräfin Ankunft auf Schloß Arpa war von einem Besuch unten in der Gruftkapelle gesprochen worden, immer jedoch hatte sich's wieder zerschlagen, bis endlich seitens des alten Grafen, sowenig ihm persönlich an diesem Kapellenbesuche lag, ein Trumpf darauf gesetzt worden war. »Fahren oder Gehen« stand allein noch zur Frage. Schwester Judith, die sich vor dem Bergab und mehr noch vor der raschen Zickzackbewegung fürchtete, entschied sich für Gehen mit dreimaliger Rast, und zwar erst bei Toldy, dann bei den Hängeweiden und zuletzt bei Schmied Ambronn unten, in dessen Verwahrsam sich auch der Gitterschlüssel befand. Unten angekommen, setzte man sich auf eine zwischen zwei Pappeln stehende Bank, gerade der Schmiede gegenüber, und sah dem Schmied, der eben ein Pferd beschlug, bei seiner Hantierung zu. Tante Judith war entzückt. »Sieh, Franziska, das hab ich nun seit fünfzig Jahren nicht mehr gesehen, seit meinen Mädchentagen nicht. Wo hat man nur immer seine Augen? Nie da, wo man sie haben sollte. Man achtet soviel auf Schlechtes und Häßliches im Leben und auf das Gute nicht. Sieh doch nur das Eisen, womit er den Huf abstößt, und das Sprühfeuer auf dem Herd.«
Der Schmied, als er die Herrschaften erscheinen sah, hatte sich bei seiner Arbeit unterbrechen wollen, war aber dem Widerspruche des Grafen
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