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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und ich lebe der Überzeugung, daß der Herr Curatus von Szegenihaza diese meine Meinung teilen wird. Wär es anders, so wär er mehr ungrisch als christlich, was ich nach dem Bilde, das ich in früherer Zeit von ihm empfangen habe, nicht glaube. Der Unglücksfall auf dem See hat mich tief erschüttert, am meisten aber, daß die Gegenwart des Allerheiligsten das Unglück nicht abwenden konnte. Vielleicht daß um
eines
Schuld und Missetat willen soviel Unschuldige den Tod miterleiden mußten.«
    »Judith hat eine Neigung«, warf hier der Graf ein, »an den einfachsten Erklärungen vorüberzugehen und immer nach wenigstens einem Geheimnis zu suchen, wenn es ein Wunder nicht sein kann. Das Fährboot kenterte, weil es überladen und der Fährmann betrunken war. C'est tout. Aber laß mich auch den Schluß hören.«
    »Durch Graf Adam wirst Du, noch ehe Du diese Zeilen liest, von unserer Absicht eines kurzen Herbstaufenthalts auf Schloß Arpa vernommen haben. Wenn ich sage, von ›
unserer
Absicht‹, so heißt das, Egon begleitet mich. Er wünscht an den Wolfsjagden teilzunehmen, die der alte Graf Pejevics in der Umgegend von Schloß Falcavar und auf seinen Gütern überhaupt abzuhalten gedenkt. Auch der junge Graf, den du ja kennst, wird, wenn er Urlaub erhält, bei den Jagden zugegen sein. Ich freue mich sehr auf diesen Aufenthalt, den ersten wieder seit nun gerade zehn Jahren. Wohl ist es wahr, die Stätten unserer Jugend bleiben uns allzeit teuer, und wir hängen daran mit der Kraft einer ersten Liebe.
    Sage dem Pfarrer meinen Gruß, ebenso dem alten Toldy. Sowie der Regen nachläßt, den wir hier unausgesetzt seit fast zwei Wochen gehabt haben, brechen wir auf. Ein Telegramm meldet Euch zuvor noch Bestimmtes und wenn nicht die Stunde, so doch den Tag unserer Ankunft. In herzlicher Ergebenheit Deine
    Judith v. Gundolskirchen,
    geb. Gräfin Petöfy«
     
    Franziska legte den Brief aus der Hand und sagte: »Wie liebenswürdig! Und am liebenswürdigsten da, wo sie mich tadelt. Ich glaube, daß sie recht hat und daß es in der Tat eine Gefahr in sich birgt, sich irgendwo gewaltsam einbürgern zu wollen. Ich muß alles mehr abwarten lernen. Das aber überrascht mich doch, und du selbst, Petöfy, schienst etwas der Art andeuten zu wollen, die Gräfin, deine Schwester, so wenig ungrisch zu sehen, trotzdem sie doch ihrer ungrischen Jugendtage mit Vorliebe zu gedenken scheint. Ist sie deutsch geworden ihrem deutschen Eheherrn oder einfach ihrem deutschen Namen zuliebe?«
    »Weder das eine noch das andere. Kirchliche Leute haben eben die Kirche. Die bedeutet ihnen Heimat und Vaterland, und nur
die
. Die Nationalitäten sind ihnen nichts und empfangen ihre Schätzung erst aus der Frage, wieweit sie der Kirche dienen oder nicht. Übrigens ist Judith nach Art aller Langsamen und Schwerfälligen auch rascher Entschlüsse, ja vollkommener Überhastungen fähig, und da wir, wie der Augenschein, Gott sei Dank, zeigt, seit sechs Stunden ein anderes Wetter haben, so können wir sie nach sechsmal sechs Stunden erwarten. Ich werde mich also von heut an in Papier Fayard wickeln und mit meinem Rest von Hüftweh wenigstens soweit aufzuräumen suchen, um die Häuser Gundolskirchen und Asperg auf gut ungrisch empfangen zu können.«
     
Fünfundzwanzigstes Kapitel
     
    Den dritten Tag darnach kam ein Telegramm: »Wir treffen mit dem Mittagsdampfer ein; Egon.« Und wenn schon in den Tagen vorher ein Lüften und Klopfen, ein Schieben und Stellen gewesen war, so verdoppelte sich jetzt der Einrichtungseifer. Für Gräfin Judith wurden die Zimmer bestimmt, die neben denen ihres Bruders gelegen waren, während für Egon, wie schon bei manchem früheren Besuche, wieder die kleine Turmstube hergerichtet wurde, womit der in seinem unteren Teile nur ein Treppenhaus bildende alte Schloßturm nach obenhin abschloß. Egon, wenn er hier wohnte, stieg dann oft und gern auf die Plattform hinauf und erfreute sich von dieser aus der wunderbar schönen Aussicht über den See. Der alte Graf behandelte dies als »deutsche Romantik« und spottete darüber, obschon er selbst in Dinge verfallen konnte, die viel romantischer waren.
    Und nun brach der Tag an, wo sie kommen sollten. Franziska war früh auf, nahm noch einmal bis in die Turmstube hinauf eine Musterung vor und stand eben auf dem Punkte, durch den großen Eßsaal in ihre Zimmer zurückzukehren, als sie Hannahs ansichtig wurde, die von dem der alten Kapelle gegenüber gelegenen Balkon her irgendeinem auf dem

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