Grappa 03 - Grappa macht Theater
Ausklang
Auch die Staatsanwaltschaft sah keine Chance, an Beutelmoser heranzukommen. Die Paragrafen des Strafgesetzbuches kamen nicht gegen die geballte Macht der Mediziner an. Ich wandte mich wieder anderen Geschichten zu und dachte nur ab und zu an die mörderische Kultur in Bierstadt.
Jacques Höfnagel legte sein Amt doch nicht nieder. Die Mehrheitsfraktion räumte ihm die Freiheit ein, sich seine Befehle nicht mehr im Parteibüro abholen zu müssen.
Paul Pistor, der Kammerschauspieler, vergaß seine Ambitionen auf den Posten des Generalintendanten. Er heiratete Nellos Witwe und wurde Stiefvater des Satansbratens namens Aristide, der die Affäre in jugendlicher Selbstüberschätzung eingefädelt hatte. Er wartete auf sein Gerichtsverfahren wegen Freiheitsberaubung.
Anneliese von Prätorius wurde Notwehr zugebilligt. Sie kam am besten aus der Sache raus, hatte einen neuen Mann und wurde vermögend.
Feudel verließ Bierstadt, nachdem er wegen Steuerhinterziehung eine saftige Geldstrafe gezahlt hatte. Die neuen Bundesländer brauchten Männer wie ihn, die – unbeeindruckt von den Paragrafen der Gesetze – ihren Weg gehen.
»Putzi« kam wegen gefährlicher Körperverletzung vor den Kadi. Er bekam drei Jahre ohne Bewährung.
Boris Austerlitz kämpfte vor Gericht wie ein Löwe. Schließlich brummte man ihm eine Geldstrafe wegen Nötigung auf.
Nur der Mord an Beate Elsermann blieb ungesühnt. Eine Sache, die mir überhaupt nicht gefiel.
Letzter Ausklang
Der neue Bierstädter Generalintendant wurde einstimmig vom Rat der Stadt gewählt. Nach den »Irritationen der vergangenen Wochen«, so der Oberbürgermeister Gregor Gottwald, »ist demokratischer Schulterschluss aller im Rat vertretenen Parteien vonnöten.«
Leo Eulenhauer, der Vorsitzende des Kulturausschusses, opferte sich. Er gab seinen Beruf als »Kunstkeramiker« auf, um der Allgemeinheit zu dienen. Sein Brennofen war sowieso kaputt. Ob er geeignet war? Ich hatte keine Ahnung. Mich interessierte die Sache nicht mehr besonders.
Ich hielt gerade den Bestseller der neuen Belletristik-Saison in der Hand: »Die Menschwerdung« hieß er, die Neuerscheinung eines großen Verlages. Der Autor war Nello von Prätorius, der – so der Klappentext – »sein erstes und letztes Werk der Öffentlichkeit präsentiert«. Präzise beobachtet, dachte ich.
Der Schmöker entzückte die Fachwelt. Das übliche Ritual der Buchbesprechungen fand auf den Literaturseiten der großen Blätter statt. »Ein großer Erzähler in der Tradition von Dostojewski und Feuchtwanger«, jubelte eine Wochenzeitung.
»Leicht wie eine Feder im Sonnenlicht wird der Leser in die mystische Geschichte zweier Liebender hineingesogen«, meinte eine Literaturzeitung.
»Wir sind es müde, dass Frauen als willige, dumme und allzeit bereite Sexualobjekte männlicher Perversitäten gezeichnet werden«, brüllte die Rezensentin des Frauenblattes »Lila Pause« und forderte gemeinschaftliche Sanktionen und Boykottmaßnahmen gegen den Autor. Zu spät, Mädels, dachte ich.
Anneliese von Prätorius und ihr Sohn konnten sich freuen: Ihnen fiel die Tantiemen-Beute zu, denn Nello hatte keine anderen Erben.
Endgültig letztes Kapitel oder »Gott vergibt, Django nie!«
»Ich habe für dich einen Termin ausgemacht«, sagte Peter Jansen und grinste, »im Landeskrankenhaus. Dort hat sich eine Sensation ereignet. Ein großer Lyriker wurde geboren. Die Fachwelt kriegt sich kaum noch ein vor Entzücken. Ein Verrückter, der Gedichte schreibt, die die Weltliteratur befruchten. Schreib eine Geschichte darüber, Grappa! Genau das Richtige für dich!«
»Beutelmoser?«, fragte ich.
»Du sagst es. Aber nenne ihn nicht bei seinem Namen, wenn du ihn gleich triffst.«
»Und warum nicht?«
»Weil er seinen richtigen Namen vergessen hat. Er nennt sich jetzt ›Django‹!«
»Oh Mann! Ausgerechnet ›Django‹! Was soll der Quatsch?«
»Die schwere Krankheit hat sein Hirn noch immer in Besitz. Also sei brav, Grappa-Mäuschen! Sag ›Django‹ zu ihm. Die Ärzte haben darum gebeten!«
»Meinetwegen. Warum hat er sich gerade diesen Namen ausgesucht?«
»Kennst du den Film ›Gott vergibt, Django nie‹?«
»Irgend so ein Italo-Western, oder?«
Er nickte. »Er war einsam, aber schneller. Der muss wirklich 'ne Meise haben! Wer nennt sich schon freiwillig ›Django‹?«
»Ein Verrückter!«
»Eben! Also sei lieb zu ihm!«
»Aber klar!«
Der große Lyriker »Django« war mit einer Wildlederhose bekleidet, in die
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