Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
Wellenchef hatte eine fast verkohlte Bratwurst ergattert und löste sich aus der Schlange vor dem Grill. Ich folgte ihm, denn er hatte mich neugierig gemacht. Dieser Kondis musste irgendwo einen dunklen Fleck auf seinem weißen Seidenhemd haben. Dunkle Flecken haben mich schon immer interessiert.
Beim Kartoffelsalat angekommen, wiederholte ich meine Frage. Mein Gastgeber biss mit Schmackes in die Wurst, sodass das Fett herausspritzte und meine Leinenjacke traf. Zweimal setzte er mit seinen Zähnen noch nach, dann war das Nitratprodukt verschlungen. Er erinnerte mich an einen Tyrannosaurus rex bei einer Häppchenorgie.
»Karriereknick!«, war die Antwort. Jetzt hatte er den Mund voll mit Kartoffelsalat. Ich rückte etwas ab, denn ich hatte keine Lust auf Mayonnaise an der Jacke.
»Dr. Kondis war Leiter des archäologischen Privatmuseums in der Landeshauptstadt, das eine der wichtigsten Antikensammlungen in Europa besitzt. Unter seiner Leitung kam es zu – na ja – Unregelmäßigkeiten.«
Ich war ganz Ohr und hakte nach.
»Nach und nach sind aus dem Museum wertvolle Fundstücke verschwunden. Einige von ihnen sind auf internationalen Auktionen wieder aufgetaucht. Lange Zeit hat niemand etwas bemerkt, bis das Kuratorium plötzlich eine Inventur angeordnet hat. Dann ist die Sache aufgeflogen«, kaute er.
»Kondis hat die alten Sachen geklaut und verscherbelt?« Ich war begeistert.
»Er hat es natürlich geleugnet. Das Kuratorium, das das Museum kontrollieren soll, wollte keine Schlagzeilen. Die Staatsanwaltschaft hat zwar ermittelt, doch es kam nichts dabei heraus. Kondis musste gehen. Damit er leben kann, hat er dieses Reisebüro aufgemacht.«
»Und warum unterstützen Sie einen Dieb?«, wollte ich wissen.
»Ich kenne ihn noch von der Universität. Außerdem halte ich ihn für unschuldig.«
Sehr überzeugend klingt das nicht, dachte ich.
»Das Startkapital für das Reisebüro hat er von mir. Ich konnte ihn doch nicht hängen lassen. Hoffentlich setzt er das Geld nicht in den Sand.«
»Deshalb soll es ausgerechnet diese Reise sein«, begriff ich, »wegen des Werbeeffektes nach meinem Bericht!«
»Nein«, widersprach der Wellenchef und versenkte eine Gewürzgurke in seinem Mund, »es könnte ja auch sein, dass Ihr Bericht negativ ausfällt. Ich will da gar nicht eingreifen. Kondis soll nur das Gefühl haben, dass ich weiter zu ihm stehe. Wir haben früher oft gemeinsam Urlaub in Griechenland gemacht, und ich war mit seiner Schwester befreundet. Sie verstehen?«
»Klar«, lächelte ich, »Männerfreundschaft.«
»Sie werden ihn mögen!«, weissagte er. »Er ist ein verdammt charmanter Bursche. Gebildet, witzig, stolz.«
»Ach tatsächlich? Ich halte ihn für arrogant und rüpelhaft. Außerdem ist er sehr einsilbig. Den meisten Männern steht es zwar gut, wenn sie den Mund halten, doch er übertreibt es.«
»Ich werde mit ihm reden«, versprach er. »Er fühlt sich überrumpelt. Er ist außerdem mitten drin in einer dicken Krise. Aber behalten Sie die Geschichte, die ich Ihnen erzählt habe, bitte für sich!«
Ich behauptete, schweigen zu können wie ein Grab. Nachdenklich schlenderte ich durch den Garten in Richtung Ausgang. Das konnte ja heiter werden. Die Vorstellung, zwei Wochen mit einem angeschossenen Macho, der mit der Welt hadert, durch die Gegend zu reisen, brachte meine Laune auf Tiefkühltemperatur. Ich hatte mehr als genug von der Party.
Bevor ich das Gartentor öffnete, fiel mein Blick auf Jason Kondis. Er stand wie verloren neben einer Kiefer und starrte die Nadeln an, so, als wolle er sich ihren Anblick genau einprägen. Er hatte mich nicht kommen sehen.
»Auf Wiedersehen, Herr Dr. Kondis!«, rief ich. »Schlimme Sache, in die Sie da geraten sind. Es bleibt übrigens dabei, dass wir in einer Woche zusammen verreisen!«
Er schreckte aus seinen Gedanken hoch. Sein Blick war eine Mischung aus Wut und verletztem Stolz.
Mein Lächeln war so süß, dass einen Diabetiker nur der Griff zur Insulinspritze gerettet hätte.
Ein umfassender Begleiter und ein fassungsloser Leiter
Langsam bekam ich Geschmack an der Sache. Zwei Wochen Urlaub, nur ab und zu unterbrochen durch ein paar Interviews, die mir die Reiseteilnehmer sicher nicht verweigern würden. Ins Radio zu kommen ist nämlich fast so schön wie den eigenen Kopf im Fernsehen zu betrachten. Ich kaufte mir einen Griechenlandreiseführer, der behauptete, ein »umfassender Begleiter zu den antiken Kultzentren der Griechen« zu sein, und eine
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