Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
erklärte ihr mein Projekt ausführlich und versprach, die Reisegäste beim Geschäft ihrer geistigen Erhöhung nicht allzu sehr zu belästigen. Im Gegenzug reichte sie mir eine Liste mit Namen und den Flugschein.
»Was sind das für Leute, mit denen wir es zu tun haben?«
»Irgendwelche Kunden. Kondis hat die Reise inseriert und auf Anmeldungen gewartet. Die da sind übrig geblieben.«
»Nur sieben Leute außer Kondis, Ihnen und mir?«
»Ja. Kondis bietet exklusive Bildungsreisen in Kleinstgruppen an. Nie über zehn. Dafür sind die zwei Wochen auch ziemlich teuer. Bei anderen Anbietern kostet eine ähnliche Reise etwa die Hälfte.«
»Ganz schön extravagant. Wie kam er auf die Idee mit dem Reisebüro?«
Sie zupfte ihre Bluse zurecht. Ihre Fingernägel waren mit rosa Nagellack bestrichen. Ich schaute auf meine Hände. Die Nägel kurz, die Finger verfärbt durch Filzstift, der Handrücken von Katzenkrallen verunziert. Daphne Laurenz, die Baumnymphe, winkte der Kellnerin und bestellte ein Mineralwasser. Was sonst, dachte ich, solche Mädchen trinken immer Mineralwasser, weil es keine Kalorien hat. Ich nutzte die Pause, um das Sahnehäubchen auf meiner heißen Schokolade mit dem Löffel wegzuschippen und zum Mund zu befördern.
»Als er die Leitung des Museums abgeben musste, verlor er auch seinen Lehrauftrag an der Universität. Er hat zwar einige Bücher geschrieben, die in der Fachwelt Aufsehen erregt haben, doch es reichte natürlich nicht, um zu leben. Ihr Chef brachte ihn auf die Idee, es mit gehobenen Bildungsreisen zu versuchen.«
»Sie mögen ihn, nicht wahr?«
Sie wurde rot. »Natürlich mag ich ihn. Er ist ein sensibler, verständnisvoller Mensch und ein guter Lehrer. Außerdem ist er mit meiner Mutter weitläufig verwandt.«
»Ihre Mutter ist Griechin?«
»Ja. Jason ist der Cousin der Schwägerin meiner Mutter.«
Ich sah mir die Liste der Reiseteilnehmer genauer an. Auf den ersten Blick nichts Auffallendes. Ein Ehepaar, Vater und Sohn, eine Rentnerin, eine Sekretärin und ein katholischer Pater.
»Alle ziemlich erwachsen«, stellte ich fest. »Nur der Sohn ist unter 40.«
»Das ist bei Bildungsreisen so«, erklärte Daphne Laurenz, »im Alter steigt das Interesse an diesen Exkursionen und … ein bisschen Geld ist ja auch nötig.«
»Muss ich sonst noch etwas wissen?«
»Eigentlich nicht. Die Anreise zum Flughafen organisiert jeder Reiseteilnehmer selbst. Die Route mit dem Reiseverlauf liegt bei Ihren Unterlagen.«
»Danke. Ich glaube, wir werden uns gut verstehen. Schließlich sind wir die beiden Nesthäkchen in der Gruppe.«
Sie lachte. Der Klang war sympathisch. »Außer dem Sohn des Vaters natürlich.«
Keine Lust auf tägliches Blutbad
Nicht alle Männer sind ein Sammelsurium schlechter Angewohnheiten, aufgereihter Karriereknicke und endloser Krankheitsgeschichten. Da gibt es die Jäger und Sammler, die verzärtelten Muttersöhnchen, die bewusst praktizierenden Softies und die fundamentalen Machos. Den letzteren habe ich einen Teil meines nunmehr rund 40-jährigen Lebens gewidmet. Dabei habe ich Fertigkeiten entwickelt, die denen einer Kombizange nicht unähnlich sind. Einen Macho-Panzer zu knacken macht halt Spaß, und ich liebe Aufgaben, die mich mit Leib und Seele fordern. Apropos Leib: Reibung erzeugt Hitze; gegen die Brandblasen, die dabei entstehen, gibt es heutzutage gute Salben.
Für den Alltag sind diese Männer allerdings weniger zu gebrauchen. Ich mag keine täglichen Blutbäder in meinem Privatleben, keine Guerillakämpfe am Frühstückstisch oder einen Angriff aus dem Hinterhalt beim Abwasch. Eigentlich liebe ich die Harmonie und die Ruhe. Deshalb lebe ich allein.
Doch ab und zu überkommt mich die Sehnsucht nach menschlicher Nähe. Deshalb habe ich diesen Beruf gewählt. Als Journalistin bin ich immer unter Menschen, seien es nun Kollegen oder Klienten. Manchmal auch Kunden. Ich schreibe Artikel für Zeitungen oder produziere Beiträge fürs Radio und bekomme Geld dafür. Manchmal auch nur eine blutige Nase und eine neue Lebenserfahrung.
In den Tagen vor der Reise nach Griechenland vertiefte ich mich in einige Bücher, holte meine Kreditkarte aus dem Versteck und deckte mich mit Bargeld ein. Der Biofriseur bearbeitete meinen Kopf zwei Stunden mit Henna-Paste. Als das Zeug runter war, sah ich aus wie ein Feuermelder. In der Apotheke erstand ich ein starkes Sonnenschutzmittel. Leider werde ich nie so richtig braun; meine Haut produziert stattdessen Tausende von
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