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Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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im Haus oder hatte einen anderen Weg hinaus gefunden.
    Ohne zu überlegen, stürmte ich durch die angelehnte Tür ins Innere. Die Flure waren ziemlich ramponiert. Die Türen waren aufgebrochen, manche standen offen, Möbel waren nirgends zu sehen. Ich erklomm die Treppe, deren Bohlen knarrten. Vorsichtig ging ich bis in die dritte Etage. Auch die Tür hier oben war nicht verschlossen. Behutsam drückte ich sie auf. Die Wohnung war in einem besseren Zustand, so als würde sie gelegentlich benutzt. Nicht zum Wohnen, sondern zu anderen Zwecken. Es standen ein paar schäbige Sessel herum, ein großer Tisch, kein Bett. Dann noch ein paar kleinere Gegenstände. Es roch ungelüftet und nach altem Zigarettenrauch. Ich trat ans Fenster, sah die Reste einer Glasscheibe auf der Fensterbank liegen. Gerade wollte ich einen Blick auf die Straße werfen, als mich ein Geräusch im Hausflur zusammenzucken ließ. Ich lief aus der Wohnung, horchte in die Etagen unter mir.
    Nichts regte sich. Niemand war da. Stille, als habe sich nichts ereignet, kein Unfall und schon gar kein Mord.
    Ich verharrte einen Augenblick. Ratlos. War ich Opfer einer Täuschung geworden? Nach einer Flasche Vino tinto von zwölfeinhalb Prozent (auch wenn er aus Valdepenas war) und unter dem Eindruck der leeren Straßen, knallroten Plastikstühlen, grölenden Männern, die nichts zu kümmern schien, war es vielleicht nicht so einfach, die Nerven zu behalten.
    Jetzt wagte ich es nicht mehr, zum Fenster zu gehen und nach unten zu schauen. Auf der Straße startete jemand ein Auto. Ich musste raus hier, der Mörder lauerte vielleicht auf mich.
    Als ich wieder unten war, war die dunkelgrüne Limousine weg. Und die Frau? Es gab keine tote Frau. Sie war verschwunden. Ich lief zum Meson Las Tapas zurück.
    Der Barmann hatte mich schon vermisst. Ein freundlicher Typ. Er sprach ein wenig deutsch, denn er war erst vor fünf Jahren aus Deutschland in seine Stadt zurückgekehrt.
    »Wie viel Wein habe ich getrunken?«
    Der Barmann grinste. »Eine Flasche Tinto, und vorher haben Sie noch den Weißen probiert. Soll ich noch eine bringen, Señora?«
    Ich winkte ab. »Lieber nicht. Ich habe eben schon Gespenster gesehen.«
    Er verstand nicht den Grund für meine Worte, doch er lachte. Ich setzte mich wieder auf meinen roten Stuhl. Der Salat lag inzwischen schlapp in der Soße, die Fleischbällchen hatten Außentemperatur.
    »Wer wohnt in dem grauen Haus dort drüben?« Ich versuchte, meiner Stimme einen beiläufigen Klang zu geben.
    »Das ist fast unbewohnt«, antwortete er und räumte den abgegessenen Teller ab, »manchmal kommt ein Mann, er hat immer einen grünen Pullover an. Er kommt aber sehr selten. Eine alte Frau gibt es dort auch noch, aber sie ist ein bisschen verrückt.«
    »Haben Sie das Auto bemerkt, das die ganze Zeit gegenüber geparkt hat?«
    Der Barmann schüttelte den Kopf und sah mich an, als hätte ich dummes Zeug gesagt.
    »Ich meine die große Limousine, sie muss vor ein paar Minuten weggefahren sein.« Ich deutete auf die gegenüberliegende Straßenseite.
    »Ich bin mit meinen Gästen beschäftigt, das Haus interessiert mich nicht«, behauptete er. Dann verschwand er schnell.
    »Café con leche, por favor«, rief ich ihm nach. Ich wusste nicht, ob er meine Bestellung mitbekommen hatte. Es war mir auch egal, ich wollte noch eine Weile hier sitzen und nachdenken. Sollte ich der Polizei meine Beobachtung schildern? Quatsch, dachte ich, ohne Leiche kein Mord. Niemand außer mir schien etwas gesehen zu haben, und ich war nicht gerade nüchtern.
    Ein Mann kam die Straße entlang – quer herüber auf mich zu. Er war dürr, hatte einen Vogelkopf – so lang und spitz war seine Nase. Die linke Hand zitterte, sie war angewinkelt, die Schritte nervös. Er schob sich heran und öffnete die rechte Hand. Ich verstand zwar nicht, was er sagte, doch die Geste war unmissverständlich. Hastig kramte ich aus meiner Geldbörse ein Hundertpesetenstück und gab es ihm. Er zitterte fort.
    Mein Gott, dachte ich, wie das alles zusammenpasst! Die Typen in der Kneipe, die leere Straße, auf der abends eigentlich Leben sein müsste wie anderswo auch. Eine Frau wird aus einem Fenster im dritten Stock geworfen und ist plötzlich verschwunden. Der Tinto war ja gut, aber zu schnell getrunken. Du bist reif fürs Bett, und zwar sofort.
    Ich betrat die Bar. »La cuenta por favor!«
    Der Barmann nickte und reichte mir einen Kassenzettel herüber. Die Männer beobachteten mich neugierig und

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