Grappa 09 - Grappa-Baby
Gelächter perlte aus Liesels herzförmig gemalten Mund.
Ich schloss die Augen, und da war wieder jenes Bild. Die Wut kroch aus dem Hirn in meinen Körper, ich spürte die brennende Hitze des Hasses.
»Reiß dich zusammen, Grappa!«, raunte mir Jansen zu. »Alles, was du jetzt sagst, ist unter deinem Niveau. Also halt die Klappe.«
»Du hast recht«, murmelte ich. »Es spielt sowieso keine Rolle mehr.«
Kein Beweis
»Das Kind, das Kristin bekommt, ist nicht das Kind einer Vergewaltigung, sondern das Kind eines Genexperimentes. Kristin bringt eine identische Kopie von sich selbst auf die Welt – einen sogenannten Klon.«
In Jansens Blick lag tiefes Nichtverstehen und gleichzeitig schieres Entsetzen. Wir saßen in der Redaktion des Bierstädter Tageblattes und hielten Kriegsrat.
»Und wie macht man so was?«
»Berggrün hat's mir erklärt. Er hat aus einem unbefruchteten Ei das Erbgut entfernt. In einem Reagenzglas hat er dann das Erbmaterial von Kristin in dieser Zelle untergebracht und versucht, beide Zellen miteinander zu verschmelzen – mit leichten Stromstößen. Die zusammengesetzten Zellen begannen sich zu teilen, und Berggrün pflanzte sie in Kristins Gebärmutter ein, wo sie sich immer weiter teilten und zum Fötus wurden.«
»Und dieses Kind wird normal sein?« Jansen war totenblass.
»Die Schwangerschaft nimmt einen problemlosen Verlauf, das Baby ist gut entwickelt.«
»Das Klonen von Menschen ist verboten. Sollen wir ihn in unserem Blatt an die Wand nageln?«, fragte Jansen.
»Und wie?«, gab ich zurück. »Ich habe keinen einzigen Beweis für das verbotene Genexperiment. Das Geständnis hat er mir unter vier Augen gegeben – du hast ja gehört, was er Brinkhoff gegenüber ausgesagt hat. Da war's plötzlich nur eine künstliche Befruchtung.«
»Und was sollen wir dann unseren Lesern erzählen? Wir müssen die Geschichte doch irgendwie beenden.«
»Wir berichten, dass die Koma-Patientin in eine Spezialklinik gebracht worden ist und dass die Schwangerschaft gut verläuft. Das ist alles. Und wenn das Kind geboren ist, bringen wir ein Foto von ihm. Und danach kommt die kurze Notiz, dass Kristin Faber tot ist – nachdem die lebenserhaltenden Maschinen endlich abgeschaltet worden sind.«
»Vielleicht hast du recht«, stimmte Jansen zu. »Manche Storys sind nichts für die große Öffentlichkeit. Und die hier scheint so eine zu sein.«
Mädchenmund
In meiner Wohnung nahm ich ein ausgiebiges Bad, cremte mich ein, legte mich aufs Sofa und zog mir eine Wolldecke über den Körper. Es dauerte nicht lange, bis ich eingeschlafen war. Irgendwann schreckte mich ein Telefonklingeln hoch. Ziemlich benommen griff ich nach dem Hörer.
»Grappa?«, sagte Nik. »Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.«
»Hallo«, nuschelte ich.
»Was ist mit dir?«, fragte er besorgt.
»Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur gerade geschlafen.«
»Brinkhoff hat mich angerufen und mir alles erzählt. Bist du wirklich okay?«
»Sicher. Sag mir lieber, wie es dir geht.«
»Ich werde morgen aus dem Krankenhaus entlassen.«
»Schön. Wo wirst du wohnen?«
»Zunächst im Hotel. Danach fahre ich zur Kur, damit ich wieder voll arbeitsfähig werde. Mein Arbeitgeber besteht darauf.«
»Ich hoffe, dass du bald wieder völlig hergestellt sein wirst«, sagte ich mit belegter Stimme. »Alles Gute, Nik.«
»Ist das alles?« Es klang bitter.
»Was hast du erwartet?«
»Etwas Verständnis.«
»Wir können ja in Kontakt bleiben.«
»Gute Freunde bleiben, oder?« Er lachte verletzt. »Du bist hart, Grappa.«
Ich legte den Hörer auf. Wenig später war ich wieder eingeschlafen, erwachte in der Nacht, aß eine Schnitte Brot und fiel wieder ins Bett, um am nächsten Morgen völlig erschlagen aufzuwachen.
Wirre Träume hatten mich die letzten Stunden begleitet – von Monsterbabys, die sich glichen wie ein Ei dem anderen, von einem Mann mit Schlafzimmerblick, den ich einstmals geliebt hatte, von einer aufgeblähten Frau, die sich nicht gegen das wehren konnte, was in ihrem Bauch heranreifte.
Als ich frisch geduscht am Frühstückstisch saß, war ich mittendrin in einer tiefen Depression. Auch der starke Kaffee konnte meine Lebensgeister nicht in Schwung bringen. Ich öffnete eine Flasche Sekt, um den Kreislauf meines Blutes wieder zu spüren.
Ärgerlich registrierte ich, dass jemand schellte. Mit dem Glas in der Hand schlurfte ich zur Tür und sah durch den Spion. Es war Nik. Ich atmete durch.
»Was willst du?«, fragte
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