Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
gemacht. Die
Nummer ist draufgesprochen.« Der Beamte blätterte weiter. »Am Sonntagmittag hat
sie diktiert: ›Am Dienstag ist Aleen dran. Ich habe jetzt so viele Beweise
gesammelt, dass nur sie die Geistheilerin sein kann, sodass der Termin mit
Siegler am Dienstag, 20 Uhr, beim Chinesen in Bad Waldsee stattfinden kann. Er
soll bei dem Treffen mein neutraler Zeuge sein.‹« Der Ermittler fügte an: »Es
hört sich so an, als habe sie vorsorglich alles festgehalten, falls ihr etwas
zustoßen sollte. Deshalb hat sie noch am Dienstag – um 17.03 Uhr – diktiert:
›Bin schneller als erwartet bereits in Leutkirch. Werde noch einen Spaziergang
machen.‹ Bei der nächsten Aufzeichnung um 17.28 Uhr wird ihre Stimme hastig:
›Aleen hat mich verfolgt. Sie parkt vor mir.‹ Danach gibt es keine Aufsprachen
mehr.«
»Ich
denke, der Rest ist bekannt. Auch wenn die Dobler-Maifeld momentan noch
schweigt. Sie hat die Mitwisserin beseitigt. Und mit diesem Schmuckstück, das
sie urprünglich von Jensen erhalten hatte, von sich ablenken wollen«,
resümierte Häberle.
Der
Kriminalist am Computer klickte auf eine weitere Audio-Datei. »Auch das ist
interessant«, sagte er, worauf die Frauenstimme aus dem Lautsprecher drang:
»Den Falkenstein hab ich am Donnerstagabend ziemlich erschreckt. Denn die
Posaune, die man mir letzte Woche zugeschickt hat, habe ich ihm an den
Wohnwagen gehängt. Bin mal gespannt, ob ich jemals erfahre, wie er reagiert
hat.«
»Darüber
hätten wir noch lang rätseln können«, meinte Linkohr. »Aber die Spritze hat sie
in derselben Nacht nicht auch noch unter Fischers Auto gelegt?«
Häberle
lächelte. »Sicher nicht. Woher hätte sie denn die Rückstände dieses Nervengifts
gehabt? Nein, das war Jensen. Das hat sein Anwalt inzwischen erklärt.«
»Aber der war doch nachts auf dem Berg in der Hütte«,
zweifelte Linkohr.
»Eben nicht. Die ganze schöne Gesellschaft ist nach
gewissen Unstimmigkeiten bei Nacht und Nebel irgendwann runtergefahren – was den Mullinger morgens ziemlich verwundert hat.
Jensen hat sich dabei ein Zeitfenster geschaffen, um mit einem Fahrrad auf den
Campingplatz rauszufahren.«
»Dazu hätte er wissen müssen, wo genau der Wohnwagen
Fischers steht.«
»Hat
er, Herr Kollege«, trumpfte Häberle auf. »Jensen hat bereits am Donnerstagabend
dort einen Besuch abgestattet. Das hat er höchstpersönlich dem Oberinspektor
Grantner erzählt.«
»Darf
ich noch mal?«, unterbrach der Kriminalist am Computer den Dialog.
»Ich
bitte darum«, ermunterte ihn Häberle.
»Aus
den vielen Diktaten dieser Dame hab’ ich noch eines, das ihr euch auch im
Original anhören solltet. Er klickte mit der Maustaste an seinem Computer,
sodass sich das Audio-Programm öffnete und Frau Plattersteins ruhige Stimme
ertönte: »Auch wer alles, was geschieht, als Zufall abtun will, kommt nicht
umhin, über manches nachzudenken, was uns bei unseren Nachforschungen
aufgefallen ist. Wer hätte es schon für möglich gehalten, dass sich der Kreis
um meine Familie und die meines verstorbenen Mannes auf derart dramatische
Weise schließt? Ich habe nämlich herausgefunden, dass uns nicht nur ein
tragisches Geschehen aus der Kriegszeit vereint, sondern auch ein
Flugzeugabsturz: Ernest Frohberger, der Pilot der verunglückten
Swissair-Maschine war ein Schulfreund meines Mannes. Und wäre Dirk Jensen an
jenem Tag nicht geschäftlich in New York aufgehalten worden, wäre auch er unter
den Opfern gewesen und uns vieles erspart geblieben.«
Betretenes
Schweigen machte sich breit. »Das wäre der Stoff für einen Krimi«, meinte
Linkohr in Anlehnung an Nenas gestrige Bemerkung.
Kurz
räusperte sich. »Nur wird’s leider keiner mehr lesen.«
»Wieso
nicht?«
»Bis
das geschrieben wäre, ist die Welt untergegangen.« Er grinste. »Denk an den 21.
Dezember. Wer jetzt im Juni noch anfängt, Romane zu schreiben, muss ein großer
Optimist sein.«
»Aber
ich sag euch, Leute«, gab sich Kurz hoffnungsfroh. »Es wird weitergeh’n. Man
darf sich bloß von den ewigen Miesmachern nicht unterkriegen lassen. Nicht
Weltuntergangsstimmung ist gefragt, sondern der behutsame Umgang mit unserem
Planeten, der so paradiesisch sein kann.«
Häberle
nickte zustimmend. »Allerdings«, meinte er süffisant, »war’s für den Kollegen
Linkohr und mich der dreizehnte Fall. Aber wir wollen ja nicht abergläubisch
sein, oder?«
Linkohr
freute sich auf ein paar freie Tage – und
auf Nena. Und falls die Welt im Dezember unterging,
Weitere Kostenlose Bücher