Grauzone: Der 13. Fall für August Häberle (German Edition)
dürfte dazu geführt haben, dass sie
jetzt wie besessen nach dem vermeintlichen Supergerät gesucht hat. Nach den
Todesfällen der vergangenen Tage hat sich dieser Drang verstärkt, zumal sie
bemerkt haben dürfte, dass man auch ihr auf der Spur war.« Der Chefermittler
runzelte die Stirn. »Aber es ist kaum anzunehmen, dass Jensen, der Realist, an
die Existenz einer solchen Apparatur geglaubt hat. Deshalb dürfte die
zwanghafte Suche danach allein ihrem Gehirn entsprungen sein. Allerdings«,
überlegte Häberle, »halte ich es für denkbar, dass sie zumindest bei ihren
Geistheilungen auf Jensens organisatorische Unterstützung vertrauen konnte.«
»Sie
meinen, die beiden … ?«
»…
ergänzten sich zumindest«, unterbrach Häberle seinen jungen Kollegen. »Ich geh
davon aus, dass all die Dokumente, die uns vorliegen und mit denen Zahlungen an
ein Konto der Western Union Bank gehen sollten, von ihr stammen. Vermutlich hat
ihr Jensen aus seinem Kundendatenstamm die Adressen alter Menschen besorgt, die
für Geistheilung empfänglich sein könnten.«
»Und
für die Ängste vor dem Weltuntergang«, ergänzte Kurz und strich sich über
seinen Dreitagebart.
»Einen
Hang zu spirituellen Dingen haben sie sicher alle. Was nichts Schlechtes ist – ganz
im Gegenteil. Nur wenn es krankhaft wird, kann es groteske Formen annehmen.«
Häberle nahm einen kräftigen Schluck Kaffee. »Die Dobler-Maifeld ist meines
Erachtens ein Fall für den Psychiater. Denn sie konnte doch nicht im Ernst
erwarten, dass sie in diesem Gewölbekeller eine Gedankenübertragungsapparatur
finden würde.« Er überlegte. »Ich könnte mir denken, dass Jensen nicht gerade
drüber erbaut war, dass sie ausgerechnet jetzt unbedingt das Ding holen wollte.
Vielleicht hat er auch erst gestern Abend davon erfahren und ist deshalb Hals
über Kopf heut Nacht nach Geislingen gekommen. Vermutlich hat er sich von
Larissa das Geschäftsauto des Hotels geben lassen. Zur Tarnung.«
»Aber
eingemauert war ja was«, gab Kurz zu bedenken. »Knochen. Angekohlte Knochen.«
»Dafür
gibt’s eine ziemlich irdische Erklärung«, entgegnete Häberle. »Alfred
Platterstein, ein Mitarbeiter der früheren Weinhandlung und Vorfahre von
Professorin Plattersteins verstorbenem Mann, wurde von Georg Waghäusl ermordet,
mitten in den Kriegswirren. Und dieser Waghäusl war der Vater des mit dem
Flugzeug abgestürzten Mario Waghäusl.«
»Also
auch der Vater von Professorin Platterstein, die ja Marios Schwester ist«,
ergänzte Linkohr, damit auch Kurz die Zusammenhänge erkannte. »Die
Aufzeichnungen von diesem Mario haben letztlich das Karussell in Gang gesetzt.
Sein schlechtes Gewissen, das sein Vater quasi auf ihn übertragen hat, förderte
einen unglaublichen Zufall zutage«, machte der junge Kriminalist weiter: »Dass
beide Familien ein schreckliches Geheimnis verbindet.«
Häberle
ergänzte: »Hätten die sich nicht alle nach Mario Waghäusls Tod in dieser Gruppe
zusammengefunden, wäre dieses Karussell nie angestoßen worden. Als aber Frau
Waghäusl die Machenschaften ihres anfangs guten Freundes Jensen durchschaut
hat, weil sie durch ihn möglicherweise viel geerbtes Geld verloren hat, trat
ihre Schwägerin, die Professorin, in Erscheinung und deckte mehr auf, als man
zunächst erwartet hatte. Sie kam den dubiosen Geistheilungen der Dobler-Maifeld
auf die Spur und stellte ihr geschickt eine Falle – wie
wir wissen, mit der todkranken Irene Rattinger. Dass dabei noch ein mögliches
Verbrechen aus Kriegszeiten aufgedeckt wurde, darf getrost als Zufall
bezeichnet werden.« Häberle gähnte und meinte: »Ich bin mal gespannt, welche
Überraschung uns noch die Diktate auf Plattersteins iPhone bringen.«
111
Dr. Joachim Beier, der
Unfallforscher, war mit großer Begeisterung der Bitte Grantners gefolgt, den
total demolierten Mercedes des Ehepaars Fischer zu untersuchen. Das
Fahrzeugwrack lag in einer Werkstatthalle in Reutte. Beier und drei seiner
Mitarbeiter machten sich in akribischer Kleinarbeit über den völlig zerstörten
Wagen her, an dem die beiden vorderen Türen von den Rettungskräften aufgehebelt
worden waren, um die toten Insassen zu bergen. Zwei Stunden später hatten die
Sachverständigen die zerbrochenen oder deformierten Überreste unzähliger
Kleinteile fein säuberlich aufgereiht, dazwischen Kabel, Steckverbindungen und
jede Menge elektronische Vorrichtungen.
Als
Grantner auftauchte, gab sich Beier wie immer siegessicher: »Hier schau’n S’
her,
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