Gregor und der Schlüssel zur Macht
Abend werden bei uns in der Kirche Spenden gesammelt, und ich hab zugesagt, eine Lasagne mitzubringen. Frag mich nicht, wieso.« Mrs Cormaci schöpfte mehrere Kellen Soße auf einen Teller, knallte ihn auf den Tisch, legte ein großes Stück Brotdaneben und drückte Gregor auf einen Stuhl. »Probier mal.«
Gregor sah sie zweifelnd an.
»Na los! Ich muss wissen, ob sie gut ist«, sagte Mrs Cormaci.
Er tunkte das Brot in die Soße und biss ab. Es war so köstlich, dass ihm Tränen in die Augen traten. »Mann«, sagte er, als er geschluckt hatte.
»Du findest sie ekelhaft. Sie ist völlig misslungen. Am besten schütte ich das ganze Zeug weg und kaufe Fertigsoße aus dem Supermarkt«, sagte Mrs Cormaci.
»Nein!«, sagte Gregor erschrocken. »Nein. Es ist die beste Soße, die ich je gegessen hab!«
Mrs Cormaci knallte ihm einen Löffel hin.
»Dann iss und wasch dir die Hände mit Seife, danach gibt’s nämlich was zu schnippeln.«
Nachdem er die Soße und das Brot verdrückt hatte, schnippelte er Berge von Gemüse, das Mrs Cormaci in Olivenöl dünstete, und verrührte Eier und Gewürze mit Ricotta. Gemeinsam schichteten sie große flache Nudeln mit Käse, Soße und Gemüse in drei riesige Auflaufformen. Gregor half beim Abwasch, und dann verkündete Mrs Cormaci, es sei Zeit zum Mittagessen.
Sie setzten sich ins Wohnzimmer, aßen Thunfisch-Sandwiches, und Mrs Cormaci erzählte von ihren drei Kindern, die alle schon erwachsen waren und in verschiedenen Staaten lebten, und von ihrem Mann, der vor fünf Jahren gestorben war. Gregor erinnerte sich vage an einen freundlichen Mann, der ihm Fünfundzwanzig-Cent-Stücke und einmal eine Eintrittskarte für ein Baseballspiel geschenkt hatte. »Es gibt keinen Tag, an dem ich ihn nicht vermisse«, sagte Mrs Cormaci. Dann servierte sie einen Früchtekuchen.
Nach dem Essen half Gregor ihr einen Schrank sauber zu machen und trug ihr ein paar Kisten in die Abstellkammer. Um zwei sagte sie, er könne gehen. Sie hatte ihm keine Fragen gestellt, nur wie es ihm in der Schule gefalle. Als er ging, gab sie ihm vierzig Dollar, einen Wintermantel, den ihre Tochter als kleines Mädchen getragen hatte, und eine Schale Lasagne. Als er abwehren wollte, sagte sie nur: »Ich kann nicht mit drei Schalen Lasagne in der Kirche ankommen. Alle bringen zwei mit. Wenn man mit dreien ankommt, sieht das nur angeberisch aus. Und was soll ich sonst damit machen? Soll ich sie etwa selber essen? Bei meinem Cholesterinspiegel? Nimm sie mit und iss sie. Und jetzt geh. Bis nächsten Samstag.« Und damit machte sie ihm die Tür vor der Nase zu.
Das war alles viel zu viel. Aber er konnte seine Mutter überraschen, wenn er Gemüse kaufte und vielleicht ein paar Glühbirnen, denn bei ihnen gingen drei Lampen nicht mehr. Lizzie brauchte einen Mantel. Und die Lasagne … sie war fast das Beste von allem. Plötzlich hätte er am liebsten bei Mrs Cormaci geklopft und ihr die Wahrheit über das Unterland und alles, was dort passiert war, erzählt und sich dafür entschuldigt, dass er sie angelogen hatte. Aber das ging nicht …
Lizzie, die im Schlafanzug in die Küche getapst kam, riss Gregor aus seiner Erinnerung an diesen ersten Besuch bei Mrs Cormaci. Sie war klein für ihr Alter, doch mit ihrer besorgten Miene wirkte sie älter als sieben. »Haben wir irgendwas zu essen da?«, fragte sie.
»Klar, jede Menge«, sagte Gregor und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich gerade eben dieselbe Frage gestellt hatte. »Guck, hier ist Haferbrei, den könnt ihr zum Frühstück essen, und heute Mittag gibt es Brote mit Erdnussbutter. Ich mache schon mal den Haferbrei.«
Lizzie durfte den Herd nicht bedienen. Sie öffnete den Schrank mit den Schälchen, nahm vier heraus und zögerte dann. »Frühstückst du auch, oder …?«
»Nö, ich hab keinen Hunger«, sagte er, obwohl sein Magen knurrte. »Außerdem muss ich gleich rüber zu Mrs Cormaci.«
»Gehen wir nachher Schlitten fahren?«, fragte sie.
Gregor nickte. »Ja, ich geh mit dir und Boots in den Central Park. Wenn es Dad gut geht.«
Sie hatten eine große fliegende Untertasse im Sperrmüll gefunden. Sie hatte einen langen Riss, aber Gregors Vater hatte sie mit Klebeband geflickt. Gregor hatte versprochen, jede Woche mit seinen Schwestern rodeln zu gehen. Aber wenn sein Vater Fieber hatte, musste jemand bei ihm und der Großmutter bleiben, die meistens dachte, sie sei auf derFarm ihrer Familie in Virginia. Und am Nachmittag stieg das Fieber für
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