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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Vermouth –«

    38

    »Danke Herr Petit-Pierre«, sagte Archilochos, »ich bin Temperenzler.«
    »Besonders scheint es mir skandalös, daß Sie unter Buchhalter B121GZ arbeiten, unter dieser nun wirklich mediokren Hilfskraft, unter diesem Herrn Rummler, oder wie er nun heißt.«
    »Er hat mich eben zum Vizebuchhalter vorgeschlagen. «
    »Sieht ihm ähnlich«, sagte OB9GZ ärgerlich, »Vizebuchhalter! Das würde ihm so passen! Sie, einen Mann von solchen Fähigkeiten! Hat doch die Petit-Paysan-Maschinenfabrik den Aufschwung der Geburtszangenproduktion im letzten Quartal ausschließlich Ihnen zu verdanken. «
    »Aber Herr Petit-Pierre …«
    »Nicht zu bescheiden, mein Verehrtester, nicht zu bescheiden. Alles hat seine Grenzen. Da habe ich nun seit Jahren geduldig gewartet, gehofft, daß Sie sich vertrauensvoll an mich wenden, an Ihren treusten Freund und Bewunderer, und Sie harren unter diesem unerträglichen Burschen von einem Buchhalter einfach weiter aus, als Unterbuchhalter unter Unterbuchhaltern, in einem Milieu, das nun wirklich nicht zu Ihnen paßt. Anstatt die Faust auf den Tisch zu schmettern! Die Bagage muß Ihnen doch greulich auf die Nerven gegangen sein. Da muß ich nun eben selber eingreifen. Ich bin zwar nur ein ohnmächtiger kleiner Oberbuchhalter im Labyrinth unserer Verwaltung, ein Nichts, ein Wicht. Habe aber mein Herz in beide Hände genommen. Den Mut, zu Ihren Talenten zu stehen, gehe nun die Welt unter oder nicht, muß schließlich einmal jemand haben, und würde es ihn auch den Kopf kosten.
    Zivilcourage, mein Lieber! Wenn wir die nicht mehr haben, ist es mit dem ethischen Wert der Petit-Paysan-Maschinenfabrik zu Ende, und wir haben die pure Diktatur der Bürokratie, wie ich immer trompete. Habe mit dem Ober-Personalchef unserer Abteilung telephoniert, der Sie übrigens auch grüßen läßt: wollte Sie eben zum Vizedirektor vorschlagen; könnte mir 39

    auch nichts Schöneres denken, als unter Ihnen, verehrter, lieber Herr Archilochos, weiter an unserem Unternehmen zu arbeiten, an der unablässigen Verfeinerung und Verbreitung der Geburtszange, doch ist mir Petit-Paysan selbst, der liebe Gott sozusagen, oder das Schicksal, wenn Sie wollen, leider leider zuvorgekommen, ein kleines persönliches Pech, was natürlich von Ihnen aus gesehen ein großes, wenn auch nicht unverdientes Glück bedeutet.«
    »Petit-Paysan?«
    Archilochos glaubte zu träumen.
    »Das ist doch nicht möglich!«
    »Er wünscht Sie noch heute, noch diesen Morgen, noch in dieser Stunde zu sehen, Herr Archilochos«, sagte OB9GZ.
    »Aber …«
    »Kein aber.«
    »Ich meine …«
    »Herr Archilochos«, sagte der Oberbuchhalter ernst und strich sich über seinen gepflegten Bart, »lassen Sie uns ehrlich miteinander reden. Von Mann zu Mann, von Freund zu Freund.
    Hand aufs Herz: Dies ist ein historischer Tag, ein Tag der Aussprache, der Klärung. Es ist mir ein Herzensbedürfnis, Ihnen ehrenwörtlich zu versichern, daß die Tatsache, daß ich Sie zum Vizedirektor vorgeschlagen habe, und die Tatsache, daß unser verehrter Petit-Paysan, Hut ab vor ihm, Sie zu sprechen wünscht, nicht das geringste miteinander zu tun haben. Im Gegenteil. Eben hatte ich den formellen Antrag Ihrer Beförderung diktiert, als Direktor Zeus mich rufen ließ.«
    »Direktor Zeus?«
    »Dem die Geburtszangenabteilung untersteht.«
    Archilochos entschuldigte seine Unkenntnis. Er habe diesen Namen noch nie gehört.
    »Ich weiß«, antwortete der Oberbuchhalter, »die Namen der amtierenden Direktoren sind in die Kreise der Buch- und Unterbuchhalter nicht gedrungen. Wozu auch. Diese Kulis 40

    haben zu schreiben, Wische über den Kanton Appenzell Innerrhoden zu verfertigen, oder über weiß Gott was für Nester, was, unter uns gesagt, lieber Herr Archilochos, keinen Menschen interessiert – Ihre Arbeit natürlich ausgenommen, auf die stürzen wir uns, die reißen wir Oberbuchhalter einander aus den Händen, zugegeben, Ihre Berichte über Baselland etwa, oder Costa Rica sind aber auch großartig, klassisch, wie ich schon sagte, doch die übrigen – überzahlte nutzlose Hans-wurste, diese Buch- und Unterbuchhalter, predige, pfeife ich seit Urzeiten den Herren der Verwaltung vor.
    Den ganzen Laden schmeiße ich Ihnen mit meinen Sekretä-
    rinnen alleine. Die Petit-Paysan-Maschinenfabrik ist doch keine Versorgungsanstalt für geistig Zurückgebliebene. Übrigens läßt Sie Direktor Zeus schön grüßen.«
    »Danke schön.«
    »Leider ist er nun im

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