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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Spital.«
    »Ach.«
    »Nervenzusammenbruch.«
    »Das tut mir aber leid.«
    »Sehen Sie, lieber Freund, Sie haben die reinste Katastrophe in der Geburtszangendirektion angestellt. Sodom und Go-morrha sind ein harmloses Ofenfeuerchen dagegen. Petit-Paysan wünscht Sie zu sprechen! Nun gut, das ist sein Recht, der Herrgott kann schließlich auch den Vollmond zuspitzen, aber verwundern würden wir uns gleichwohl, täte er dies. Petit-Paysan und ein Unterbuchhalter! Das ist ungefähr das gleiche Wunder. Daß da so ein unglücklicher Direktor die Totenglocke bimmeln hört, dürfte wohl klar sein. Und der Vizedirektor? Der brach auch zusammen.«
    »Aber warum denn?«
    »Lieber, Verehrtester, weil Sie zum Geburtszangendirektor ernannt werden sollen, das dürfte doch jedem Wickelkind einleuchten, sonst hat doch dies alles keinen Sinn. Wen Petit-Paysan rufen läßt, wird Direktor, da haben wir unsere Erfah-41

    rung. Rausfliegen tut man durch den Oberpersonalchef.«
    »Direktor? Ich?«
    »Sicher. Die Beförderung ist schon Oberpersonalchef Feuz gemeldet, der Sie übrigens auch grüßen läßt.«
    »Der Geburtszangenabteilung?«
    »Vielleicht auch noch der Atomkanonen, wer weiß das.
    Oberpersonalchef Feuz hält alles für möglich.«
    »Aber warum denn?« schrie Archilochos, der nichts mehr begriff.
    »Liebster, Bester! Sie vergessen Ihre ausgezeichneten Berichte über Oberitalien …«
    Er bearbeite die Ostschweiz und das Tirol, verbesserte der Unterbuchhalter hartnäckig.
    »Ostschweiz und Tirol, werfe die Landschaften etwas durch-einander, bin ja auch kein Geograph.«
    »Das kann doch nicht ein Grund sein, mich zum Geburtszangendirektor zu ernennen.«
    »Na, na.«
    »Ich besitze doch gar nicht die Fähigkeit zu einem Direktor«, protestierte Archilochos.
    OB9GZ schüttelte den Kopf und sah Archilochos mit einem rätselhaften Blick an, lächelte, so daß seine Goldzähne zum Vorschein kamen, und faltete die Hände über dem gepflegten Bauch. »Den Grund«, sagte er, »liebster, vereintester Freund, den Grund, weshalb Sie zum Direktor befördert worden sind, müssen Sie wissen, nicht ich, und wenn Sie ihn nicht wissen, forschen Sie nicht. Es ist besser so. Nehmen Sie meinen Rat an.
    Es ist wohl das letzte Mal, daß wir uns gegenübersitzen.
    Direktoren und Oberbuchhalter pflegen nie miteinander zu verkehren, wäre auch ganz gegen das ungeschriebene Gesetz unseres vorbildlichen Hauses. Stand ich doch heute zum ersten Mal Direktor Zeus gegenüber, in der Stunde seines Untergangs freilich, während man den armen Vizedirektor Stüssi, der mein eigentlicher Vorgesetzter ist, und der allein mit den Oberbuch-42

    haltern verkehrt, gerade auf einer Bahre hinaustrug, eine wahre Götterdämmerung.
    Schweigen wir über diese eindrucksvolle Szene. Ihr Bedenken: Sie fürchten, das Metier eines Direktors nicht zu beherrschen. Bester, liebster Freund, das Metier eines Direktors beherrscht jeder, im Vertrauen gesagt, jeder Trottel ist dazu fähig. Sie haben nichts anderes zu tun, als einfach Direktor zu sein, als Direktor zu existieren, die Würde zu übernehmen, zu repräsentieren, Inder, Chinesen, Zulukaffern durch die Räume zu führen, Mitglieder der Unesco und des Ärzteverbandes und wer sich sonst noch in Gottes großer Welt für die edle Geburtszange interessiert. Die praktischen Angelegenheiten, der Betrieb, das Technische, die Berechnungen, die Planung, dies alles wird von den Oberbuchhaltern gedrechselt, um mich etwas frei einem verehrten Freund gegenüber auszudrücken.
    Da brauchen Sie sich keine grauen Haare wachsen zu lassen.
    Wichtig freilich wird sein, wen Sie sich zum Vizedirektor aus den Reihen der Oberbuchhalter erküren, Stüssi ist ja nun erledigt, war auch höchste Zeit, war zu sehr mit Direktor Zeus verbunden, eine Kreatur des hohen Herrn – nun ja, ich will mich über die fachliche Qualität Zeusens nicht äußern. Das ziemt sich nun wohl nicht. Er hat seinen Nervenzusammenbruch. Kritik liegt mir ferne. Es war ein Kreuz mit ihm, ganz unter uns gesprochen, war er doch unfähig, die Berichte über Dalmatien, die Sie, vereintester Freund und Gönner, verfaßt haben, auch nur zu begreifen, und auch im übrigen ohne Schimmer – ich weiß, ich weiß, es war nicht Dalmatien, es war das Toggenburg oder die Türkei: Schwamm drüber, Sie sind zu höheren Zielen geboren. Adlergleich schwingen Sie sich über uns staunende Oberbuchhalter ins Blaue. Jedenfalls noch einmal im Vertrauen: Wir Oberbuchhalter freuen uns, Sie nun als

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