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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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schoss ein Taxi heran, hielt mit quietschenden Reifen mitten in einer Pfütze neben den Damen und durchnässte zwei von ihnen bis auf die Knochen. Keifend stürzten sich alle fünf auf den Taxifahrer, der geduldig die Türen öffnete und eine nach der anderen in seinen Wagen lud. Mit missmutigem Gesicht murmelte er ein Schimpfwort, verschwand hinterm Steuer und fuhr mit seiner wütenden Fracht davon.
    Mia zog zwei silberne Gegenstände aus ihrer Tasche, die merkwürdige Ähnlichkeit mit Zahnarztsonden hatten. Prüfend schaute sie sich um, aber kein Fußgänger war zu sehen.
    Jetzt.
    Sie rannte zur Tür und klemmte den Spanner ins Schloss. Lucas hatte ihr einmal gesagt:
Du hast Schlösser geknackt, seit du fünf bist — weil du Grenzen und Barrieren nicht akzeptieren willst, die andere dir setzen.
Mia wusste nicht, ob tatsächlich eine psychologische Bedeutung hinter dieser Fähigkeit steckte, aber Begabung und Leidenschaft für das Knacken von Schlössern waren ihr tatsächlich in die Wiege gelegt worden. Schon als kleines Kind hatte sie mühelos das Schloss ihrer Spardose aufgebrochen und diese Fähigkeit in jahrelanger Übung immer mehr verfeinert.
    Für dieses Schloss an der Friedhofstür brauchte sie sieben Sekunden. Vorsichtig schob sie das Tor auf und zwängte sich durch den Spalt. Leise fiel es hinter ihr zu.
    Für einen Moment stand sie regungslos und lauschte. Gedämpft durch das Rauschen der Bäume drangen die Geräusche der Straße an ihr Ohr. Sie atmete ein. Vor ihr lag die Stadt der Toten.
    Ihre Finger kribbelten, als sie den Weg verließ und zwischen den dunklen Totenhäusern entlangschlich. Der Kies knirschte leise unter ihren Füßen. Der Wind wehte Laub über die Gräber, es klang wie das Kratzen winziger Krallen auf Stein. Vorsichtig spähte Mia an einem der Häuser vorbei und sah den alten Maurice in seiner Wachstube sitzen. Ein Fernseher flackerte, es lief ein Western. Mia lächelte. Maurice liebte Western. Sie musste sich nicht beeilen.
    So leise wie möglich schlich sie über die nassen Pfade und konnte sich wie in jedem Jahr nicht gegen die Angst wehren, die langsam von ihr Besitz ergriff. Jedes Mal, wenn sie an einem der dunklen Häuser vorbeilief, glaubte sie, ein Totenarm würde daraus hervorschnellen, sie packen und in sein Reich unter der Erde zerren. Früher, als sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie geglaubt, dass die Angst vor Monstern und Ungeheuern irgendwann aufhören würde — wenn man erwachsen war. Aber sie hatte nie aufgehört.
    Schließlich erreichte Mia die knorrige Eiche. Die Wurzeln hatten mit den Jahren beinahe einen Sitz gebildet, und Mia gefiel der Gedanke, dass der Baum nur ihr zuliebe eine so bequeme Form angenommen hatte. Sie ließ sich auf den Wurzeln nieder, die durch das noch fast vollständige Blätterdach annähernd trocken geblieben waren, und entzündete eine Kerze. Leise zog sie einen Bleistift und ihren Zeichenblock aus der Tasche, blätterte zu einem freien Blatt und holte noch einmal tief Luft. Dann hob sie den Kopf.
    Sie betrachtete die Büste auf dem Grab ihres Vaters und suchte nach Änderungen in ihren Zügen. Lucas war auf dem linken Auge stark kurzsichtig gewesen, aber er hatte seine Brille kaum getragen.
Sie ist eine gläserne Wand zwischen mir und der Welt,
das waren seine Worte gewesen. So hatte er sich angewöhnt, den Kopf leicht zur Seite zu neigen, um die Dinge mit dem rechten Auge zu betrachten. Und auf diese Art schaute er jetzt auf Mia herab. Seine Augen lagen im Schatten, aber um seinen Mund spielte ein Lächeln, so winzig und unscheinbar, dass nur Mia es sehen konnte. Zu seinen Lebzeiten hatte er jedes Jahr an ihrem Geburtstag ein Bild von ihr gemalt.
Warum,
hatte sie gefragt, denn sie konnte sich bessere Dinge vorstellen, als stundenlang ruhig dazusitzen und sich nicht einmal kratzen zu können, wenn es juckte, noch dazu mitten in der Nacht, denn Lucas hatte seine besten Bilder immer nachts gemalt —
das ist die Zeit der Feen,
so hatte er gesagt.
Warum malst du jedes Jahr ein Bild von mir?
Und Lucas hatte aufgesehen, beinahe erstaunt, dass sie diese Frage stellte und die Antwort nicht selbst kannte. Dann hatte er gelächelt und gesagt:
Damit wir uns erinnern.
Das war der Grund, aus dem sie ihn einmal im Jahr, an seinem Todestag, hier besuchte — damit sie sich erinnerte.
    Anfangs hatte sie versucht, im Stil der großen Künstler zu malen — Dali, Picasso, Monet. In der Kandinsky-Zeit war ihr nur ein Strich mit einem grünen Punkt

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