Grim - Das Siegel des Feuers
ihr Licht, das für uns strahlt.« Sie sah ihn an. »Ein Lächeln — welch seltener Anblick in deinem Gesicht«, sagte sie sanft.
Schnell presste Grim die Zähne zusammen. Er durfte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. »Warum hast du dich dem Jungen gezeigt?«, fragte er streng.
»Ich musste mich ihm nicht zeigen«, sagte sie unbeschwert. »Er ist ein Hartid.«
»Ein Seher?«, rief Grim außer sich. Angestrengt presste er die Klauen zusammen, dass es knirschte. »Woher weißt du das? Bist du dir sicher?«
Ein belustigtes Lächeln glitt über Moiras Gesicht. »Natürlich bin ich mir sicher«, erwiderte sie. »Er hat mich gesehen, und nicht nur mich. Er hat mit Elfen gesprochen, kannst du dir das vorstellen? Ich habe ihn eine Zeit lang beobachtet, um jeden Zweifel auszuschließen.«
Betroffen sah Grim, wie sie sich mit der Hand zur Brust fuhr. Sie hatte Schmerzen, und für einen Moment verblasste seine Verwirrung vor dem Gefühl, das sich mit scharfen Krallen in seinen Nacken setzte.
»Aber was heißt das?«, fragte er dann, darum bemüht, sanft zu klingen, was schändlich misslang.
Moira lächelte noch immer. »Er sieht die Wesen, die andere Menschen nicht einmal erkennen würden, wenn sie sich ihnen offenbarten. Der Zauber des Vergessens — er wirkt nicht bei einem Hartiden. Sie ...«
»Das weiß ich«, unterbrach Grim sie ungeduldig. »Aber was bedeutet das?«
»Nichts«, erwiderte sie leichthin. »Außer, dass er ein Hartid ist.« Sie verstärkte ihr Lächeln. »Ich weiß, dass du eigentlich gar nichts darüber wissen willst. Du möchtest dir die Menschen am liebsten vom Hals halten, nicht wahr? Oder sollte ich sagen: vom Herzen?«
Sie schaute ihn auf rätselhafte Weise an, doch ehe er etwas erwidern konnte, wandte sie sich ab. »Dieser Ort«, sagte sie und ließ den Blick über den Sand der Arena gleiten, »ist etwas Besonderes.
Du weißt das. Er ist ein Symbol für die Alte Zeit — die Zeit vor dem Zauber des Vergessens, vor den Kriegen mit all ihrem Hass und Blutvergießen. Damals haben Gargoyles und Menschen zusammengelebt — sie haben diesen Platz zusammen errichtet, wie die Häuser rings herum. Zu jener Zeit wäre es nichts Außergewöhnliches gewesen, wenn sich ein Gargoyle hier mit einem Menschen getroffen hätte. Es war auch nichts Außergewöhnliches, dass etwas wie Freundschaft zwischen ihnen bestand.«
Grim schnaubte. »Seitdem ist viel passiert. Immer schon wurden die Menschen von Hass und Neid getrieben, genügend Völker mussten das durch die Jahrhunderte erfahren, und kaum dass sie die Macht dazu hatten, wandten sie sich auch gegen uns. Sie haben Krieg über uns gebracht, sie haben alles zerstört, was jemals zwischen unseren Völkern bestanden hat. Unter ihrem Blutkönig Pedro von Barkabant haben sie unser Volk fast ausgerottet, hast du das vergessen?«
Moira sah ihn mit einem undurchsichtigen Blick an und schwieg. Ärgerlich fuhr er fort: »Ohne den Zauber des Vergessens wären die Kriege nie beendet worden. Wir können froh sein, dass er uns vor den Menschen schützt. Aber jeder Kontakt mit ihnen gefährdet diesen Schutz. Du weißt, dass die Menschen uns nicht erkennen müssen, um Krieg gegen uns zu führen. Wenn sie von uns wüssten, würden sie uns vernichten, das haben sie schon einmal versucht, sie würden es wieder tun! Niemals darf das geschehen, Moira, wir müssen unsere ganze Kraft daransetzen, dass wir vor ihnen verborgen bleiben.«
Eine Weile war es still. Sie saß so regungslos neben ihm, dass Grim fast meinte, sie wäre eingeschlafen. Dann holte sie Atem. »Und wenn sie sich ändern, eines Tages? Was ist, wenn ...«
Verächtlich stieß Grim die Luft aus. »Ändern! Pah!« Er schlug nach der Luft, als wäre sie ein riesiges Insekt, das nach ihm stach. »Die Menschen ändern sich nicht. Das solltest du doch am besten wissen. Du hast die Kriege der Ältesten noch erlebt, weißt um ihre Tücke, um ihre Lügen. Sie sind voll von sich selbst. Sie würden uns niemals akzeptieren. Und selbst wenn sie es täten — der Zauber des Vergessens ist endgültig, und du weißt das. Selbst wenn alle Gargoyles sich anders entscheiden würden — was niemals passieren wird —, gäbe es keinen Weg mehr zurück. Die Welt der Menschen ist uns versperrt — und sie haben keinen Zutritt mehr zu unserer Welt. Die wenigsten Hartide wissen, dass sie Hartide sind — sie glauben, sie seien verrückt. Lass es sie glauben! Menschen, auch Hartide, sind wankelmütig, und sie sind schwach.
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