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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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teils wegen der Initialen I.S.A.L.Y. Sie war unschlüssig, ob sie es ihm sagen sollte oder nicht. Jemand anderem würde sie es ganz bestimmt nicht sagen. Am Ende würde es wohl allein ihr Geheimnis bleiben. Wie deprimierend!
    »…and tuh-ake her under your bur-ur-ran-ches, Mi-is-ter-uh Tu-ree-ree.«
    Ned stand inzwischen am Fenster hinter ihrem Tisch und bemühte sich, das Vierergrüppchen nicht dadurch zur Eile anzutreiben, dass er müßig herumstand und aus dem Fenster schaute. Er schaute hinaus in etwas, was für jeden anderen Betrachter Dunkelheit und Regen gewesen wäre. Für Ned war es zwar auch Dunkelheit und Regen, jedoch meinte er, hindurchsehen zu können. Er sah tatsächlich hindurch über die Straße und in den Park, wo eine einsame Laterne ein Fleckchen Boden beleuchtete – die Bank, den Fußweg, den Baum.
    Er fürchtete, es wäre leer: die Bank, der Park, der Jardin des Plantes, der Jardin du Luxembourg. Er fürchtete, er hatte Nathalie zum letzten Mal gesehen. Das war es auch, was ihn schon den ganzen Abend so niedergeschlagen gemacht hatte. Doch nun konnte er eine Gestalt ausmachen, eine dunkelhaarige Gestalt im dunklen Mantel, das Gesicht weiß wie der Brief, den sie immer noch in der Hand hielt. Sie wartete auf etwas, sie wartete darauf, dass er irgendetwas unternahm. Und er erinnerte sich, wie sie weinend gesagt hatte, aus eigener Kraft könne sie nicht weggehen.
    Als Ned sein Bier auf dem besetzten Tisch abstellte (»ihrem« Tisch), musterten ihn die dort Sitzenden voller Verwirrung. Er sagte nichts, sondern zog bloß seinen Anorak über und bahnte sich durch die Menge einen Weg zur Tür. Sallys Stimme folgte ihm, wollte wissen, wohin er denn gehe, und klang besorgt. Johnnie Rays Stimme folgte ihm mit »Cry« und klang sogar noch besorgter:
    »Whe-en you-r-r-r Su-WEET-ha-art sends a lu-ET-ter-r of good-by-uh-eye-eye-«
    Er stand auf dem Gehweg und schaute über die dunkle, regennasse Straße in den Park. Würde sie sich wieder mit ihm streiten? Verlangen, dass er es umschrieb? Ihm sagen, diese und jene Szene mit Patric sei total misslungen, vergeudet, ein Sack voller Lügen? Würde sie ihm sagen, so eine Protagonistin wie sie hätte er gar nicht verdient?
    Eines tat sie jedoch – sie bewegte sich. Sie stand von der Bank auf (ganz ohne Neds Hilfe), schob den Brief in ihre schwarze Manteltasche und ging auf dem Weg davon. Nach ein paar Schritten drehte sie sich um und winkte ihm kurz zu, lächelte ihn kurz an.
    » Nathalie!«
    Er wollte schon über die Straße gehen, so abgelenkt, dass er den Wagen nicht sah, der am Straßenrand losgefahren war und nun auf ihn zusteuerte.
    Sally kreischte auf.
    Diesen Schrei hatte sie schon den ganzen Tag zurückgehalten. Hinter ihr strömten die Leute auf den Gehweg heraus – Saul, Karl, Candy und die meisten Gäste von Swill’s.
    Jemand rief: »Schnell, einen Krankenwagen!«
    Schon wurden ein Dutzend Handys gezückt und in Aktion gesetzt. Diejenigen, die zuerst nach draußen gelangt waren, hatten – allerdings vergeblich – versucht, das Nummernschild des Wagens zu erkennen, der zuerst ziemlich langsam gefahren war, als er Ned rammte, gleich darauf aber Gas gegeben hatte und inzwischen mit quietschenden Reifen drei Häuserreihen weiter um die Ecke bog.
    Saul und Sally beugten sich über Ned. Sally weinte.
    Ned blickte auf, blinzelte, doch als er den Mund öffnete und etwas sagen wollte, unterbrach Saul ihn. »Sag jetzt nichts.«
    Ned achtete überhaupt nicht auf ihn. Er blinzelte langsam wie eine Katze und hauchte schwach: »Dieser elende Scheißkerl, Patric… dieser eifersüchtige Drecksack… wieso habe ich ihn denn nicht –?« Dann rollte ihm der Kopf zur Seite und blieb auf dem Gehweg liegen.
    » Oh Scheiße !«, sagte Saul.
    »Der ist nicht tot«, sagte Candy. »Der ist bloß ohnmächtig. Glauben Sie mir, wir kennen den Unterschied.«
    Karl sagte: »Wo steckt der verdammte Krankenwagen? Wieso kriegt man in dieser Scheißstadt eigentlich nie einen Krankenwagen?« Die Frage richtete er an die Nacht ganz allgemein, als schon der Krankenwagen um dieselbe Ecke gerast kam, um die ein paar Augenblicke zuvor das Auto gebogen war.
    Nachdem Ned hineinverfrachtet worden und Sally auch eingestiegen war, um sich zu ihm zu setzen, und der Krankenwagen mit heulenden Sirenen davongerast war, zerstreute sich die Menge unter reichlichem Kopfschütteln und betrübtem Gemurmel.
    Candy sagte: »Verdammt, ich glaub’s doch nicht, K.«
    »Ich auch nicht. Ich überleg

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