Grimm 1: Der eisige Hauch (German Edition)
kleineren Hirsch und wir …
töteten
sie. Und fraßen! Danach drehten wir richtig durch und liebten uns, während das Blut unseres Opfers noch an uns klebte. Sieh mich nicht so an, Rosalee, ich werde nicht ins Detail gehen. Sie fehlt mir überhaupt nicht. Wirklich. Nein, ganz bestimmt nicht. Und du hast als
Fuchsteufel
bestimmt ähnliche Erlebnisse gehabt.
Wie dem auch sei … Manchmal trafen wir auf einen Bären oder eine Wildkatze, die mussten wir dann vertreiben. Diese Viecher sind ziemlich territorial. Wir waren uns der Gefahren da draußen sehr deutlich bewusst, und sie machten uns nur noch wilder.
Eines Nachts schliefen wir in der Wildnis, und am nächsten Morgen verwandelten wir uns, tranken aus einem Fluss und gingen auf die Jagd nach unserem Frühstück … Du weißt ja, wie es da draußen sein kann. Man ist fast schon trunken von den Gerüchen, den Eindrücken und der reinen
Lebenskraft
des Waldes. Man fühlt sich so urtümlich, dass man beinahe vergisst, dass man sprechen kann! Auf diesen Trips haben wir so gut wie nie gesprochen. Wir waren immer in diesem fast schon verrückten Zustand übermäßiger Wachsamkeit, und eines Tages trafen wir auf einen Puma. Oder er auf uns. Wie man’s nimmt. Es kam zur alten Konfrontation Hund gegen Katze, Wolf gegen Wildkatze. Der Puma fauchte, knurrte und schlug mit seinen Tatzen nach uns, und wir schnaubten, knurrten und fassten nach ihm. Ich hätte ihn beinahe vertrieben, und es ging eine Weile hin und her. Danach pulsierte das Adrenalin nur so durch unsere Adern. Unser Blut kochte.
Und da traf Angelina den Forest Ranger.
Der Ranger wanderte gerade einen Bach entlang und machte seinen Job. Ich glaube, er wollte einen toten Elch rausziehen, der wohl das Wasser verschmutzte und weiter stromaufwärts lag. Angelina war mir ein Stück voraus und suchte nach Beute, und sie lief ihm einfach über den Weg, als sie noch in diesem angestachelten Zustand war. Sie schlug zu und schnaubte. Später hat sie behauptet, er hätte nach seiner Pistole gegriffen.
Ich hörte sie aufschreien, als ob sie in Gefahr wäre, und rannte los, während mein Puls noch immer hämmerte. Und als ich sah, wie die beiden einander kampfbereit gegenüberstanden, verlor ich einfach die Kontrolle.
Ich sprang von einem Felsen und griff den Mann an.
Vielleicht hatte ich vor, ihn nur auf den Boden zu werfen, damit wir weglaufen konnten und er nicht mitbekam, was ihn getroffen hatte, aber er hatte bereits seine Waffe gezogen, und sie ging los. Die Kugel traf mich nicht, wahrscheinlich hat nur sein Finger am Abzug gezuckt … Aber das brachte das Fass zum Überlaufen.
Und ich …
Rosie, ich habe ihm mit den Zähnen die Kehle aufgerissen.
Lass mich mal eben ein Glas Weißwein trinken. Nein, auf keinen Fall Rotwein, den kriege ich jetzt nicht runter.
Okay. Ich biss seine Halsschlagader durch, und er ist gestorben. Man könnte sagen, es war ein natürlicher Fehler. Angelina hat das zumindest hinterher behauptet. Ich habe auch
versucht
, es so zu sehen. Aber ich weiß, dass ich die Lage anders hätte entschärfen können, wenn ich nicht völlig verwandelt und in diesem
Zustand
dorthin gekommen wäre. Dann wäre der Mann jetzt noch am Leben.
Danach wurde mir richtig schlecht, und ich habe das Fleisch von seinem Hals ausgespuckt und sein Blut und mich dann gezwungen, wieder menschliche Gestalt anzunehmen … Da sah ich erst, was ich angerichtet hatte. Ich kotzte noch einmal. Am liebsten wäre ich weggelaufen, hätte ihn einfach da liegen gelassen und so getan, als wäre es nie passiert. Aber ich habe mich dazu gezwungen, mich neben ihn auf den Boden zu knien und seine Taschen zu durchsuchen, weil ich wissen wollte, wer er war. Angelina hat mich die ganze Zeit dazu gedrängt, einfach abzuhauen und das Ganze zu vergessen.
Meine Hände haben so sehr gezittert, dass ich seine Brieftasche erst nicht finden konnte. Ich habe mir seinen Namen und seine Adresse gemerkt, die auf seinem Ausweis stand. Und ich fand auch noch etwas anderes: Fotos von seiner Frau und seinen Kindern. Diese Gesichter habe ich mir ebenfalls eingeprägt.
„Du machst dich nur selber fertig, wenn du dir all das ansiehst“, sagte Angelina.
Ich habe nicht darauf geantwortet. Ich wischte meine Fingerabdrücke von dem Ausweis und den Bildern, steckte alles wieder in die Brieftasche und die Brieftasche wieder in seine Hose. Er hatte eine Karte der Gegend in der Jacke, sodass ich genau feststellen konnte, an welcher Stelle seine Leiche lag.
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