Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
beschlagen.«
Indem kam der Vogel Phönix heim, setzte sich oben auf den Tisch und sprach: »ich wittere, wittere Menschenfleisch!« – »Ach was? Ihr seht ja wohl, dass niemand hier ist« – »kämm mich nun«, sprach der Vogel Phönix.
Das weiße Mamsellchen kämmte ihn nun, und er schlief darüber ein; wie er recht fest schlief, packte sie eine Feder, zog sie aus und warf sie unterm Tisch. Da wachte er auf: »was raufst du mich so? Mir hat geträumt, es käme ein Mensch und zöge mir eine Feder aus.« Sie stellte ihn aber zufrieden, und so gings das anderemal und das drittemal. Wie der junge Mensch die drei Federn hatte, zog er damit heim und bekam nun seine Braut.
Die Nelke
E s war eine Königin, die hatte unser Herrgott verschlossen, daß sie keine Kinder gebar. Da ging sie alle Morgen in den Garten und bat zu Gott im Himmel, er möchte ihr einen Sohn oder eine Tochter bescheren. Da kam ein Engel vom Himmel und sprach: »Gib dich zufrieden, du sollst einen Sohn haben mit wünschlichen Gedanken, denn was er sich wünscht auf der Welt, das wird er erhalten.« Sie ging zum König und sagte ihm die fröhliche Botschaft, und als die Zeit herum war, gebar sie einen Sohn, und der König war in großer Freude.
Nun ging sie alle Morgen mit dem Kind in den Tiergarten und wusch sich da bei einem klaren Brunnen. Es geschah einstmals, als das Kind schon ein wenig älter war, daß es ihr auf dem Schoß lag und sie entschlief. Da kam der alte Koch, der wußte, daß das Kind wünschliche Gedanken hatte, und raubte es und nahm ein Huhn und zerriß es und tropfte ihr das Blut auf die Schürze und das Kleid.
Da trug er das Kind fort an einen verborgenen Ort, wo es eine Amme tränken mußte, und lief zum König und klagte die Königin an, sie habe ihr Kind von den wilden Tieren rauben lassen. Und als der König das Blut an der Schürze sah, glaubte er es und geriet in einen solchen Zorn, daß er einen tiefen Turm bauen ließ, in den weder Sonne noch Mond schien, und ließ seine Gemahlin hineinsetzen und vermauern; da sollte sie sieben Jahre sitzen, ohne Essen und Trinken, und sollte verschmachten. Aber Gott schickte zwei Engel vom Himmel in Gestalt von weißen Tauben, die mußten täglich zweimal zu ihr fliegen und ihr das Essen bringen, bis die sieben Jahre herum waren.
Der Koch aber dachte bei sich, hat das Kind wünschliche Gedanken und ich bin hier, so könnte es mich leicht ins Unglück bringen. Da machte er sich vom Schloß weg und ging zu dem Knaben, der war schon so groß, daß er sprechen konnte, und sagte zu ihm: »Wünsche dir ein schönes Schloß mit einem Garten und was dazu gehört.« Und kaum waren die Worte aus dem Munde des Knaben, so stand alles da, was er gewünscht hatte.
Über eine Zeit sprach der Koch zu ihm: »Es ist nicht gut, da du so allein bist, wünsche dir eine schöne Jungfrau zur Gesellschaft.« Da wünschte sie der Königssohn herbei, und sie stand gleich vor ihm und war so schön, wie sie kein Maler malen konnte. Nun spielten die beiden zusammen und hatten sich von Herzen lieb, und der alte Koch ging auf die Jagd wie ein vornehmer Mann. Es kam ihm aber der Gedanke, der Königssohn könnte einmal wünschen, bei seinem Vater zu sein, und ihn damit in große Not bringen.
Da ging er hinaus, nahm das Mädchen beiseite und sprach: »Diese Nacht, wenn der Knabe schläft, so geh an sein Bett und stoß ihm das Messer ins Herz und bring mir Herz und Zunge von ihm; und wenn du das nicht tust, so sollst du dein Leben verlieren.« Darauf ging er fort, und als er am andern Tag wieder kam, so hatte sie es nicht getan und sprach: »Was soll ich ein unschuldiges Blut ums Leben bringen, das noch niemand beleidigt hat?« Sprach der Koch wieder: »Wo du es nicht tust, so kostet dich’s selbst dein Leben.« Als er weggegangen war, ließ sie sich eine kleine Hirschkuh herbeiholen und ließ sie schlachten und nahm Herz und Zunge und legte sie auf einen Teller, und als sie den Alten kommen sah, sprach sie zu dem Knaben: »Leg dich ins Bett und zieh die Decke über dich.«
Da trat der Bösewicht herein und sprach: »Wo ist Herz und Zunge von dem Knaben?« Das Mädchen reichte ihm den Teller, aber der Königssohn warf die Decke ab und sprach: »Du alter Sünder, warum hast du mich töten wollen? Nun will ich dir dein Urteil sprechen. Du sollst ein schwarzer Pudelhund werden und eine goldene Kette um den Hals haben, und sollst glühende Kohlen fressen, daß dir die Lohe zum
Weitere Kostenlose Bücher