Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: »Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben«, und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin.
Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.
Hans heiratet
E s war einmal ein junger Bauer, der hieß Hans, dem wollte sein Vetter gern eine reiche Frau werben. Da setzte er den Hans hinter den Ofen und ließ gut einheizen. Dann holte er einen Topf Milch und eine gute Menge Weißbrot, gab ihm einen neugemünzten, glänzenden Heller in die Hand und sprach: »Hans, den Heller da halt fest und das Weißbrot, das brocke in die Milch, und bleib da sitzen, und geh mir nicht von der Stelle, bis ich wiederkomme.« – »Ja«, sprach der Hans, »das will ich alles ausrichten.« Nun zog der Werber ein Paar alte, verplackte Hosen an, ging ins andere Dorf zu einer reichen Bauerntochter und sprach: »Wollt Ihr nicht meinen Vetter Hans heiraten? Ihr kriegt einen wackern und gescheiten Mann, der Euch gefallen wird.« Fragte der geizige Vater: »Wie sieht’s aus mit seinem Vermögen? Hat er auch was einzubrocken?«
»Lieber Freund«, antwortete der Werber, »mein junger Vetter sitzt warm, hat einen guten, schönen Pfennig in der Hand und hat wohl einzubrocken. Er sollte auch nicht weniger Placken (wie man die Güter nannte) zählen als ich«, und schlug sich dabei auf seine geplackte Hose. »Wollt Ihr Euch die Mühe nehmen, mit mir hinzugehen, soll Euch zur Stund gezeigt werden, daß alles so ist, wie ich sage.« Da wollte der Geizhals die gute Gelegenheit nicht fahrenlassen und sprach: »Wenn dem so ist, so habe ich weiter nichts gegen die Heirat.«
Nun ward die Hochzeit an dem bestimmten Tag gefeiert, und als die junge Frau ins Feld gehen und die Güter des Bräutigams sehen wollte, zog Hans erst sein sonntägliches Kleid aus und seinen verplackten Kittel an und sprach: »Ich könnte mir das gute Kleid verunehren.« Da gingen sie zusammen ins Feld, und wo sich auf dem Weg der Weinstock abzeichnete oder Äcker und Wiesen abgeteilt waren, deutete Hans mit dem Finger und schlug dann an einen großen oder kleinen Placken seines Kittels und sprach: »Der Placken ist mein und jener auch, mein Schatz, schauet nur danach«, und wollte damit sagen, die Frau sollte nicht in das weite Feld gaffen, sondern auf sein Kleid schauen, das wäre sein eigen.
Die Schwiegermutter
E s war ein König und eine Königin, die hatte eine bitterböse Schwiegermutter. Einmal zog der König ins Feld, da ließ die alte Königin ihre Schwieger unten in einen dumpfigen Keller einsperren, und ihre zwei Söhnlein zu ihr. Eines Tags nun sprach sie zu sich selbst: ich hätte so Lust das eine von den Kindern zu essen, rief ihren Koch und hieß ihn hinuntersteigen, das eine Söhnlein zu nehmen, zu schlachten und zuzurichten.
»Mit was für einer Brühe?«, fragte der Koch. Mit einer braunen, sprach die alte Königin.
Da ging der Koch in den Keller und sprach: »ach Frau Königin, die alte Frau Königin will haben, ich soll heut Abend Euren einen Sohn schlachten und kochen.« Da war die junge Königin herzlich betrübt und sagte: ach, wollen wir nicht ein Schweinchen nehmen, das koch doch so, wie sies haben will, und sprich, es wäre mein Kind gewesen.
Der Koch tat so und trug das Schweinchen in brauner Brühe auf, »da wäre das Kind«, und sie aß es auf mit großem Appetit.
Bald darauf dachte die Alte: das Kinderfleisch hat mir so zart geschmeckt, du willst das zweite auch essen, rief den Koch und hieß ihn in den Keller gehen, und den zweiten Sohn schlachten.
»Mit was für einer Brühe soll ich ihn kochen?«
»Ei, mit einer weißen.«, sprach die alte Königin.
Der Koch ging hinunter und sagte: ach, die alte Frau Königin hat mich geheißen, dass ich nun auch euer zweites, kleines Söhnlein schlachten und kochen soll. Die junge Königin sprach: nimm doch ein Spanferkelchen und koch es, wie sies gern haben will.
Das tat der Koch, und setzte es der Alten vor in einer weißen Brühe, und sie speiste es mit noch größerm Appetit.
Endlich dachte die Alte: nun sind die Kinder in meinem Leib, du willst nun
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