Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
doch eher wieder als ihr alle miteinander.« Darauf blieb er noch zwei Stunden liegen, da stieg er endlich aus den Federn, holte sich aber erst zwei Scheffel voll Erbsen vom Boden, kochte sich einen Brei und aß den mit guter Ruhe, und wie das alles geschehen war, ging er hin, spannte die Pferde vor und fuhr ins Holz.
Nicht weit vor dem Holz war ein Hohlweg, wo er durch mußte; da fuhr er den Wagen erst vorwärts, dann mußten die Pferde stillhalten, und er ging hinter den Wagen, nahm Bäume und Reisig und machte da eine große Hucke (Verhack), so daß kein Pferd durchkommen konnte.
Wie er nun vors Holz kam, fuhren die andern eben mit ihren beladenen Wagen heraus und wollten heim; da sprach er zu ihnen: »Fahrt nur hin, ich komme doch eher als ihr nach Haus.« Er fuhr gar nicht weit ins Holz, riß gleich zwei der allergrößten Bäume aus der Erde, warf sie auf den Wagen und drehte um. Als er vor der Hucke anlangte, standen die andern noch da und konnten nicht durch. »Seht ihr wohl«, sprach er, »wärt ihr bei mir geblieben, so wärt ihr ebenso schnell nach Haus gekommen und hättet noch eine Stunde schlafen können.«
Er wollte nun zufahren, aber seine Pferde konnten sich nicht durcharbeiten; da spannte er sie aus, legte sie oben auf den Wagen, nahm selber die Deichsel in die Hand, und hüf! Zog er alles durch, und das ging so leicht, als hätt’ er Federn geladen. Wie er drüben war, sprach er zu den andern: »Seht ihr wohl, ich bin schneller hindurch als ihr«, fuhr weiter, und die andern mußten stehenbleiben. In dem Hof aber nahm er einen Baum in die Hand, zeigte ihn dem Amtmann und sagte: »Ist das nicht ein schönes Klafterstück?« Da sprach der Amtmann zu seiner Frau: »Der Knecht ist gut; wenn er auch lang schläft, er ist doch eher wieder da als die andern.«
Nun diente er dem Amtmann ein Jahr. Wie das herum war und die andern Knechte ihren Lohn kriegten, sprach er, es wäre Zeit, er wollte sich auch seinen Lohn nehmen. Dem Amtmann ward aber angst vor den Streichen, die er kriegen sollte, und bat ihn inständig, er möchte sie ihm schenken, lieber wolle er selbst Großknecht werden, und er solle Amtmann sein. »Nein«, sprach er, »ich will kein Amtmann werden, ich bin Großknecht und will’s bleiben, ich will aber austeilen, was bedungen ist.«
Der Amtmann wollte ihm geben, was er nur verlangte, aber es half nichts, der Großknecht sprach zu allem »nein«. Da wußte sich der Amtmann nicht zu helfen und bat ihn um vierzehn Tage Frist, er wolle sich auf etwas besinnen. Der Großknecht sprach, die Frist solle er haben. Der Amtmann berief alle seine Schreiber zusammen, sie sollten sich bedenken und ihm einen Rat geben. Die Schreiber besannen sich lang, endlich sagten sie, vor dem Großknecht wäre niemand seines Lebens sicher, der schlüge einen Menschen wie ein Mücke tot. Er sollte ihn heißen in den Brunnen steigen und ihn reinigen; wenn er unten wäre, wollten sie einen von den Mühlensteinen, die da lägen, herbeirollen und ihm auf den Kopf werfen, dann würde er nicht wieder an des Tages Licht kommen.
Der Rat gefiel dem Amtmann, und der Großknecht war bereit, in den Brunnen hinabzusteigen. Als er unten auf dem Grund stand, rollten sie den größten Mühlstein hinab und meinten, der Kopf wäre ihm eingeschlagen, aber er rief: »Jagt die Hühner vom Brunnen weg, die kratzen da oben im Sand und werfen mir die Körner in die Augen, daß ich nichts sehen kann.« Da rief der Amtmann: »Husch, husch!« und tat, als scheuche er die Hühner weg. Als der Großknecht mit seiner Arbeit fertig war, stieg er herauf und sagte: »Seht einmal, ich habe doch ein schönes Halsband um«, da war es der Mühlenstein, den er um den Hals trug. Der Großknecht wollte jetzt seinen Lohn nehmen, aber der Amtmann bat wieder um vierzehn Tage Bedenkzeit.
Die Schreiber kamen zusammen und gaben den Rat, er sollte den Großknecht in die verwünschte Mühle schicken, um dort in der Nacht Korn zu mahlen; von da wäre noch kein Mensch morgens lebendig herausgekommen. Der Anschlag gefiel dem Amtmann, er rief den Großknecht noch denselben Abend und hieß ihn acht Malter Korn in die Mühle fahren und in der Nacht noch mahlen; sie hätten’s nötig. Da ging der Großknecht auf den Boden und tat zwei Malter in seine rechte Tasche, zwei in die linke, vier nahm er in einem Quersack halb auf dem Rücken, halb auf die Brust und ging also beladen nach der verwünschten Mühle. Der Müller sagte ihm, bei Tag
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