Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
den Stall, gab ihnen Hafer und Heu, alles wie sich’s gehörte. Als er fertig war, ging er in die Stube, setzte sich auf die Bank und sagte: »Mutter, nun hätte ich Lust, zu essen, ist’s bald fertig?«
Da sagte sie: »Ja«, und brachte zwei volle Schüsseln herein, daran hätten sie und ihr Mann acht Tage lang satt gehabt. Der Junge aber aß sie allein auf und fragte sie, ob sie nicht mehr vorsetzen könnte? »Nein«, sagte sie, »das ist alles, was wir haben.« – »Das war ja nur zum Schmecken, ich muß mehr haben.« Sie getraute sich nicht, ihm zu widerstehen, ging hin und setzte einen großen Schweinekessel voll übers Feuer, und wie es gar war, trug sie es herein. »Endlich kommen noch ein paar Brocken«, sagte er und aß alles hinein; es war aber doch nicht genug, seinen Hunger zu stillen.
Da sprach er: »Vater, ich sehe wohl, bei Ihm werd ich nicht satt; will Er mir einen Stab von Eisen verschaffen, der stark ist und den ich vor meinen Knien nicht zerbrechen kann, so will ich fort in die Welt gehen.« Der Bauer war froh, spannte seine zwei Pferde vor den Wagen und holte bei dem Schmied einen Stab so groß und dick, als ihn die zwei Pferde nur fortschaffen konnten. Der Junge nahm ihn vor die Knie, und ratsch! Brach er ihn wie eine Bohnenstange in der Mitte entzwei und warf ihn weg.
Der Vater spannte vier Pferde vor und holte einen Stab, so groß und dick, als ihn die vier Pferde fortschaffen konnten. Der Sohn knickte auch diesen vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und sprach: »Vater, der kann mir nicht helfen, Er muß besser vorspannen und einen stärkeren Stab holen.« Da spannte der Vater acht Pferde vor und holte einen, so groß und dick, als ihn die acht Pferde herbeifahren konnten. Wie der Sohn den in die Hand nahm, brach er gleich oben ein Stück davon ab und sagte: »Vater, ich sehe, Er kann mir keinen Stab anschaffen, wie ich ihn brauche, ich will nicht länger bei Ihm bleiben.«
Da ging er fort und gab sich für einen Schmiedegesellen aus. Er kam in ein Dorf, darin wohnte ein Schmied, der war ein Geizmann, gönnte keinem Menschen etwas und wollte alles allein haben; zu dem trat er in die Schmiede und fragte, ob er einen Gesellen brauchte. »Ja«, sagte der Schmied, sah ihn an und dachte, das ist ein tüchtiger Kerl, der wird gut vorschlagen und sein Brot verdienen.
Er fragte: »Wieviel willst du als Lohn haben?« – »Gar keinen will ich haben«, antwortete er, »nur alle vierzehn Tage, wenn die andern Gesellen ihren Lohn bezahlt kriegen, will ich dir zwei Streiche geben, die mußt du aushalten.« Das war der Geizmann von Herzen zufrieden und dachte damit viel Geld zu sparen. Am andern Morgen sollte der fremde Geselle zuerst vorschlagen; wie aber der Meister den glühenden Stab brachte und jener den ersten Schlag tat, so flog das Eisen voneinander und der Amboß sank in die Erde so tief, daß sie ihn gar nicht wieder herausbringen konnten.
Da ward der Geizmann bös und sagte: »Ei was, dich kann ich nicht brauchen, du schlägst gar zu grob, was willst du für den einen Zuschlag haben?« Da sprach er: »Ich will dir nur einen ganz kleinen Streich geben, weiter nichts.« Und hob seinen Fuß auf und gab ihm einen Tritt, daß er über vier Fuder Heu hinausflog. Darauf suchte er sich den dicksten Eisenstab aus, der in der Schmiede war, nahm ihn als einen Stock in die Hand und ging weiter.
Als er eine Weile gezogen war, kam er zu einem Vorwerk und fragte den Amtmann, ob er keinen Großknecht nötig hätte. »Ja«, sagte der Amtmann, »ich kann einen brauchen. Du siehst aus wie ein tüchtiger Kerl, der schon was vermag, wieviel willst du Jahreslohn haben?« Er antwortete wiederum, er verlangte gar keinen Lohn, aber alle Jahre wollte er ihm drei Streiche geben, die müßte er aushalten.
Das war der Amtmann zufrieden, denn er war auch ein Geizhals. Am andern Morgen, da sollten die Knechte ins Holz fahren, und die andern Knechte waren schon auf, er aber lag noch im Bett. Da rief ihn einer an: »Steh auf, es ist Zeit, wir wollen ins Holz, und du mußt mit.« – »Ach«, sagte er ganz grob und trotzig, »geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder als ihr alle miteinander.«
Da gingen die andern zum Amtmann und erzählten ihm, der Großknecht läge noch im Bett und wollte nicht mit ins Holz fahren. Der Amtmann sagte, sie sollten ihn noch einmal wecken und ihn heißen die Pferde vorspannen. Der Großknecht sprach aber wie vorher: »Geht ihr nur hin, ich komme
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